Ein Bilderbuchschauspieler. Paul ist schön, eitel, narzistisch und, was Marie am meisten frustriert, sexuell völlig unmotiviert. Seit Monaten hat das junge Paar keinen Sex mehr. Marie giert nach sexueller Erfahrung. Sie will die ultimative Lust fühlen, ausleben, sämtliche Facetten körperlicher und psychischer Sexualität ergründen. Wenn das mit dem lustlosen Schönling nicht geht, dann halt anders. Marie zieht es in die Gassen, in die Cafés, ins Sehnsuchtsland. Dort trifft sie Paolo, der es versteht, sie zu befriedigen, zu beherrschen und sich zu unterwerfen. Doch diese leidenschaftliche Bekanntschaft ist nicht von Dauer.
Marie sucht nach mehr. Sie geht mit dem Direktor der Schule, an der sie unterrichtet, ein Verhältnis ein. Robert wird ihr Meister, sie ist die Unterworfene. Schmerz und Tränen und Lustgewinn für beide. Trotzdem liebt sie Paul noch, auch wenn seine Kälte sie verletzt. Seine Ablehnung gibt ihr den Mut zur Konsequenz. Am Ende weiß Marie auf jeden Fall, was sie nicht will. Das verkündet sie mit einem drastischen Paukenschlag...
Großartig! Es gibt sie noch, die mutigen Filmemacher. Catherine Breillat schert sich - ähnlich Buñuel - nicht darum, Tabus zu brechen, für sie existieren sie nicht. Kleingeister, die ihr Voyeurismus auf Grund der pornographischen Bilder vorwerfen. Sie entlarvt alle Emotionslosen, Klemmies und Frigiden und bringt ihnen trotzdem Verständnis entgegen. Metaphorisch werden Lebenslügner bestraft. Der Angriff auf Feigheit und Arroganz als mögliche Chance. Breillat nutzt stilistisch die Kälte des Jetzt. Eventuell könnte man Paul verstehen, daß er im steril-weißen Schlafzimmer keinen hochkriegt. Doch darum allein geht es nicht. Paul zirkelt nur um sich, hat niedrigere Ziele als Marie. Beruflicher, materieller Ehrgeiz als Kompensator für Versagensängste. Marie ist instinktiv, ihre Lust und Neugier macht sie menschlich. Es geht Breillat garantiert nicht um eine Hommage an die Freizügigkeit. Sie nutzt zwar die Mittel der Pornographie, gaukelt aber dem Zuschauer nichts vor. Eigentlich zeigt sie, wie fatal es ist, Sex zu unterschätzen und ist dabei nicht eindimensional. In frostig-verstörenden Bildern zeigt sie, daß leben manchmal weh tut. Natürlich werden eingefahrene Feministinnen wieder toben. Für die ist der Film auch gemacht. Ein Geschenk! Sie sollten für diesen radikalen Appell an ein sexuelles Selbstverständnis dankbar sein.
Originaltitel: ROMANCE
F 1998, 95 min
Verleih: Arthaus
Genre: Erotik, Liebe, Drama
Darsteller: Caroline Ducey, Sagamore Stévenin, Rocco Siffredi
Regie: Catherine Breillat
Kinostart: 15.06.00
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.