Originaltitel: RED DRAGON
USA 2002, 110 min
Verleih: UIP
Genre: Killer, Thriller, Literaturverfilmung
Darsteller: Anthony Hopkins, Edward Norton, Ralph Fiennes, Harvey Keitel, Emily Watson, Philip Seymour Hoffman, Mary-Louise Parker
Regie: Brett Ratner
Kinostart: 31.10.02
Quid pro Quo - die wohlklingende Befragungsstrategie aus DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER hat sich zum Leitwort einer ganzen Trilogie gemausert. Dieses Zug um Zug ist das Vor und Zurück in dem Kannibalenmärchen um die promovierte Intelligenz-Bestie Hannibal Lecter, den man 1991 als zärtlichen Mentor mit Jodie Foster die IQ-Klingen kreuzen und einen Hautkleid-Fetischisten namens Jamie Gum überführen ließ, der 2001 in einer Art Porträt fast ganz sich selbst überlassen war und anderen Psychokrüppeln kaum Beachtung schenkte.
Nun springt man zurück in die 80er Jahre, in denen ein gebrochener Serien-Ermittler einen ebenso gebrochenen Serien-Killer zu fangen hat. Graham, der sich mit Dr. Lecters Verhaftung nicht nur Ruhm sondern auch eine gewaltige Narbe eingehandelt hat und den vorzeitigen Ruhestand mit Frau, Sohn und allerhand Ängsten in Florida verbringt, wird in die Welt des Verbrechens zurück gebeten. Zwei Familien wurden bestialisch ermordet - ein Gebißabdruck ist zunächst die einzige vage Spur zum Täter. Graham registriert Schleifspuren, zerbrochene Spiegel, Scherben in den Augen der toten Eltern und Kinder - und kommt doch ohne Lecters Hilfe nicht weiter. Der gibt sich nachträglich als fairer Verlierer, spendet Rat aber nur gegen Bares, also tiefere Einblicke in die Seele seines Widerparts. Währenddessen lernen wir einen gewissen Francis Dolarhyde und die Dritten seiner Großmutter kennen. Ralph Fiennes trägt die Drachentattoos, den gestählten Körper und den Spottnamen "Zahnfee" mit so viel Sexappeal, daß man die ganze Aufregung um Mord und Totschlag fast vergessen will, und balanciert diese Kreatur zum beinahe ernst zu nehmenden Charakter - hätte Autor Harris nicht diesen Hang zur Leichtbauweise von Neurosen-Konstrukten.
Regisseur Brett Ratner will dem trashigen HANNIBAL glücklicherweise nicht mit Fleisch und Innereien das Blut reichen, aber auch ein wirklich spannender Thriller ist ihm mit seinen fahlen Bildern, der konventionellen Dramaturgie und den ausgedehnten Dialogen nicht so recht gelungen. Über die witzig-gruseligen Szenen mit Dr. Lecter findet er dann aber wenigstens in den charmanten personalen Kern der Trilogie zurück, in der MAN HUNTER, die erste Verfilmung der Drachen-Jagd von 1986, einfach nichts zu suchen hat: keiner speist so geschmackvoll wie Sir Anthony!
[ Sylvia Görke ]