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Rufmord – Jenseits der Moral

Schlammschlacht im Weißen Haus

Ein Auto fährt im Licht der fiebrigen Südstaatensonne, "Ring of Fire" klingt aus den Boxen, der Wagen kommt von der Fahrbahn ab und stürzt von einer Brücke in den Fluß. Gouverneur Jack Hathaway wirft sich geistesgegenwärtig ins Wasser, doch seine Hilfe kommt zu spät. Ein Medienliebling wird er trotzdem. Ideal, denn er steht vor dem Sprung nach Washington, wo er die Nachfolge des verstorbenen Vizepräsidenten antreten möchte.

Aber Präsident Evans fällt eine folgenschwere Entscheidung. Nicht den Volkshelden Hathaway schlägt er als Vize vor, sondern Senatorin Laine Hanson. Sie wäre die erste Frau in dieser Position. Die endgültige Entscheidung trifft jedoch ein Komitee unter der Leitung des erzkonservativen Republikaners Shelly Runyon. Der hält Laine in diesem Amt für eine absolute Fehlbesetzung, außerdem ist sie doch Demokratin. Eine aufreibende Befragung im Kongreß steht ihr bevor. Das Weiße Haus wird zum Schlachtfeld ohne Respekt - da wird in der Vergangenheit der Konkurrenz gewühlt, und wenn es sein muß, auch ein Leben zerstört. Noch ehe Laine "Rufmord" in die Kongreßbank ritzen kann, gräbt Shelly Runyon eine Sexorgie aus ihrer Studentenzeit aus, ein gefundenes Fressen für Presse und Komitee. Die Zerfleischung einer konsequenten, wenn auch fehlbaren Frau kann beginnen.

Rod Lurie scheint sich auszukennen im Sumpf der Politintrigen. Von der Army über den Journalismus zum Film - ein interessanter Werdegang. Entsprechend versiert und ambitioniert spielt er das schmutzige RUFMORD-Spiel - leicht im Ton und dennoch hartnäckig. Zumal Autor und Regisseur Lurie so einige Überraschungen in petto hat und auf eine glorreiche Darstellerriege baut. Joan Allen brilliert als konsequente Senatorin mit fiebriger Zurückhaltung, Jeff Bridges und Gary Oldman bestechen mit vielschichtigen Charakterzeichnungen.

Man könnte dem Film fast schon ernstzunehmende Ambivalenz unterstellen, wenn die Macher nicht beschlossen hätten, ihr eigenes Werk im Endspurt aufs Niederträchtigste einzureißen. Plötzlich wird ein Hohelied auf das Land der unbegrenzten Seichtigkeit gesungen, und man wünscht sich sehnlichst das Kino bei Minute 120 verlassen zu haben.

[ Roman Klink ]