Noch keine Bewertung

Rum Diary

Schwelgerei in Sonnenlicht und Nostalgie

Den Autor und Journalisten Hunter S. Thompson und den Schauspieler und Superstar Johnny Depp verband eine langjährige Freundschaft, die vielleicht auch auf Wesensverwandtschaften in entscheidenden Punkten basierte. In jedem Fall verkörpert Depp im mittlerweile Klassiker zu nennenden FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS Thompson auf eine Art, die diesem wohl in vielerlei Hinsicht gefallen haben dürfte. Ob Thompson sich nun aber in Depps Performance punktgenau gespiegelt fand, oder ob er in dem schauspielernden Beau und seiner speziellen Ausstrahlung eher eine verjüngte Wunschvorstellung von sich selbst zum (Leinwand-)Leben erwacht sah, ist dabei eine zwar reizvolle, aber auch recht müßige Spekulation.

Jetzt ist Depp erneut in einem Film nach einem Roman Thompsons zu sehen. RUM DIARY heißt der und erzählt von dem jungen Journalisten Paul Kemp, ein Alter ego Thompsons, der 1959 vor der Bigotterie und Selbstgefälligkeit der Eisenhower-Ära nach Puerto Rico flüchtet. Eine Emigration zu Hitze, Strand, Mädchen und Drinks, Drinks, Drinks. Um die zu bezahlen, reicht der lausige Job bei einem Schmierblatt bald kaum mehr aus, aber als Paul den reichen Sanderson kennenlernt, scheint sich das Problem zu lösen. Dumm nur, daß Sanderson eine verdammt attraktive Geliebte hat – und Paul für ein Geschäft einspannen will, für das dieser sich als nicht wirklich tauglich erweisen wird.

Und zwar, weil der Nonkonformist à la Thompson eben immer auch ein Moralist ist. Ein heruntergekommener, aber noch funktionierender. Das zeigt auch RUM DIARY sehr schön, ein Film, der in Sonnenlicht und Nostalgie schwelgt. Hemingway-Lakonie paart sich hier mit einer Exaltiertheit, die recht ausgebremst, da doch sehr inszeniert wirkt. Welche Verrücktheiten in RUM DIARY auch geschehen (und es geschehen einige), sie schrauben sich nie in die Höhen von FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS. Aber Rum ist eben kein Meskalin, Acid oder Koks, und insofern geht das in Ordnung.

Bruce Robinson bebildert diese Geschichte im Es-war-einmal-Modus. Exotisch und sexy ist das, und selbst Bilder und Szenen mit Siff, Suff und Kater bewahren Eleganz. Das wirkt insgesamt wie das Blättern älterer Herren im Erinnerungsbuch der Jugendsünden. Atmosphäre, Spaß, Drama schließt das nicht aus. Und inwiefern Depp dabei nun noch Thompson entspricht – ja, richtig: Auch das ist müßig zu spekulieren. In jedem Fall aber ehrt er den Freund, der sich 2005 das Leben nahm, mit einem seiner besten Auftritte seit langem.

Originaltitel: THE RUM DIARY

USA 2011, 110 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Literaturverfilmung, Schräg

Darsteller: Johnny Depp, Aaron Eckhart, Michael Rispoli, Amber Heard, Richard Jenkins, Giovanni Ribisi

Regie: Bruce Robinson

Kinostart: 02.08.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.