D 2011, 100 min
FSK 6
Verleih: Paramount
Genre: Literaturverfilmung, Komödie, Romantik
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke, Christian Friedel, Peri Baumeister, Susanne Bormann
Stab:
Regie: Oliver Ziegenbalg
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Kinostart: 29.03.12
Vielleicht sitzt gerade jetzt eine Frau im Park, der Straßenbahn oder zu Hause, klappt Wladimir Kaminers Anekdötchensammlung „Russendisko“ zu, erinnert sich daran, daß der Autor mit jenem Werk zu Bestseller-Ehren kam und fragt sich verstört: warum? Nun, das wissen wir auch nicht. Dafür aber, wie die Verfilmung ausfiel – nämlich eher konventionell und dabei keineswegs schlecht.
Sie springt zurück zum Jahr 1990 und zeigt, wie drei junge Russen nach Deutschland auswandern. Namentlich Andrej, der geplagte Charakter, welchen vorgeblich eine böse Alte verfluchte. Dann wäre da Mischa, verhinderter Musiker. Und Wladimir, welcher nicht weiß, was ihm die Zukunft bringen soll. Letzteres klärt sich zumindest auf emotionaler Ebene, als Elfe Olga seinen Weg kreuzt. Doch wie soll er das Mädel für sich gewinnen, wenn man im Wohnheim haust und Dosenbier verhökert?
Interessant wäre schon die Frage, was den Setdesigner geritten hat: Zwar mag Ostberlin zur Wendezeit wohl kaum der schönste Fleck auf Erden gewesen sein, aber daß es wie kurz nach dem Krieg aussah ... Na ja, vergessen wir’s, genauso wie das akzentfreie Deutsch unserer „Russen“ oder die manieriert vorgetragene Ironie von Matthias Schweighöfers Off-Kommentar, obgleich selbige vielleicht als Reminiszenz an Kaminers Gedanken verwertbar ist. Denn der Rest bietet, wie angedeutet, wenige Überraschungen, funktioniert sonst allerdings im Rahmen einer unaufgeregten, für deutsche Verhältnisse sogar weitgehend holzhammergemäßigten Reise durch ein Land und einige Leben im Umbruch, komplett mit schrägen Ideen und Figuren, wobei exemplarisch Mischas Beitritt zum Judentum zu nennen wäre, melancholischen Weisen sowie vollkommen zeitunabhängigen Betrachtungen – wirklich treffend zum Beispiel Wladimirs Mutter, welche sich heftige Sorgen darum macht, ob Sohnemann genug ißt.
Nicht vergessen werden dürfen zudem natürlich die eingeflochtenen Liebesgeschichten, selbst wenn sich jeder Konflikt hier genregemäß ratzfatz löst. Diese Großstadtodyssee zeigt ihrer literarischen Basis tatsächlich primär auch immer dann, was geht, wenn sie sich als ungenierter Griff in kindsköpfige Romantiktöpfe erweist: So hat Wladimirs Kontaktaufnahme Richtung Olga herrlich ungelenke Züge vom Schlag Willst-Du-mit-mir-gehen-Grundschul-Ankreuz-Zettelchen. Und auf das Schaukeln über Berlin muß man ebenfalls erst mal kommen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...