Natürlich ist es schön, daß Rußland in der Wahrnehmung mal wieder eher als ein Reich der Naturattraktionen als das des Bösen oder wodkaseligen Chaos’ inklusive desolater Atomkraftwerke aufscheint. Und doch mag man obigen Titel kopfschüttelnd betrachten, weil in ihm sich eben immer noch diese westlichen, wonnige Schauer verursachenden Klischeevorstellungen manifestieren, nach denen Rußland alles Mögliche ist, nur kaum etwas Zivilisiertes.
Dafür etwas von imposanter Wildheit und Weite. Rußland, ein Superlativ, dem nur in Superlativen beizukommen ist. Den Satz fänd Putin geil, aber wie auch immer: Diesen Superlativen zumindest muß auch eine Naturdoku frönen. Hier geht das schon bei der Statistik los: 3,5 Jahre Produktionszeit, 1.200 Drehtage, 50 Stunden Flugaufnahmen, 10 Kamerateams, 600 Stunden Rohmaterial, 100.000 Reisekilometer. In Tolstois „Krieg und Frieden“ klingt die Schilderung der Napoleonischen Truppen beim Marsch auf Moskau durchaus auch mal so ähnlich. Wobei natürlich Produzent und Regisseur Jörn Röver von Moskau einige tausend Kilometer entfernt war. In den in der Tat schier unendlich scheinenden Weiten jenseits des Urals. Und ja: Es ist imposant, was da an Bildern von Flora und Fauna zu sehen ist.
Rövers Film nun kompensierte sich aus der NDR-Serie „Wildes Rußland“, und vielleicht liegt es daran, daß diese Kinoexpedition manchmal so sprunghaft zwischen den Orten wechselt. Eben noch bei den Vulkanen auf Kamtschatka, kraxelt man plötzlich an den Hängen des Kaukasus. Ohne rechte Ruhe und Struktur geht es hin und her, von Ost nach West, von Nord nach Süd. Okay, die Aufnahmen aus dem Flugzeug raus sind schon toll, aber ein etwas cleverer Aufbau des Films wäre das auch.
Wie es auch schön gewesen wäre, auf der Tonspur dieses getragene Pathos der Musik öfter mal herabzudimmen und die anstrengende Eloquenz zu beschneiden, mit der der deutsche Erklärbär uns etwa den russischen Braunbär nahe zu bringen versucht. Wirkliche Größe bekommt die Doku, wenn sie diesbezüglich Zurückhaltung übt. Dann erst nämlich sieht und hört man die Weite wirklich. Den Wind, das Meer, das Heulen der Wölfe. Phantastisch, denkt man. Und: Wann wird mal jemand den Mut zu so einer Doku haben, in der dann weitgehend eben einfach nur zu hören ist, was man auch sieht: Imposante Natur, die die Superlativ-Untermalungen des Kinos nicht braucht.
D/Rußland 2010, 91 min
FSK 0
Verleih: Polyband
Genre: Dokumentation, Natur
Regie: Jörn Röver
Kinostart: 13.01.11
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.