16 Bewertungen

Same Same But Different

Beeindruckendes Kino vom Kampf um bittersüße Zweisamkeit

Buck scheint auch den Kanal voll zu haben von diesen streberhaft aufs Erstaunen pochenden Ouvertüren à la „Nach einer wahren Begebenheit.“ Deswegen verzichtet er auf den bedeutungsdräuenden Präfix, denn selbst wenn die Geschichte um den jungen Ben, der sich in Kambodscha in das Barmädchen Sreykeo verliebt und dessen Leben ab diesem Moment umgekrempelt wird, sich nicht so zugetragen, Buck ihr aber dennoch diesen faszinierenden romantischen Anstrich verliehen hätte, wäre das schwer in Ordnung, weil SAME SAME BUT DIFFERENT vom ersten Bild an großes Kino ist. Gleich zu Beginn eine eindeutige Reminiszenz an den Bilderkosmos Wong Kar-wais: Eine junge Frau im skarabäusgrünen Kleid schwebt durch ein nächtlich träges Straßenbild. Vielleicht und wahrscheinlich ist es der schon dämmernde Morgen, diese Szene ist erfüllt von einer Schwebe, einem Taumel und von stolzer Kraft – und steht damit für den ganzen, sich nun entfaltenden Film.

Dieser junge Typ Ben ist Durchschnitt, genau so macht er Urlaub. Weg von der strengen Alsterstadt hinein ins sorglose, preiswerte Vergnügen. Sorglos und preiswert ist hier in Kambodscha für den Westeuropäer wirklich alles: Dach übern Kopf, Gras im Rauchzeug, Fusel im Glas, Mädchen auf dem Laken, oder wie es im Film heißt „You Wan’ Massage, LSD, Happy Smile Cigarette?“ Sicher ist Ben nicht so kraß drauf wie der dauerzugedröhnte Aussteiger und Aufreißer Alex, doch auch er ist eben kein Chorjunge. Daß er sich nach einer gemeinsamen Nacht in das hübsche Mädchen Sreykeo verliebt, war so nicht gedacht, doch es geschieht. Die Zeit mit ihr gehört zum Aufregendsten, Schönsten und Zärtlichsten, was der Junge bis dahin erlebt hat. Entsprechend schwer fällt ihm die Rückreise. Aus der Heimat unterstützt Ben die hübsche Sreykeo. Auch dann noch, als sie ihm sagt, daß sie HIV hat ...

Buck hat Benjamin Prüfers Erlebnisbericht verfilmt und tat es auf die richtige Art: losgelöst vom raschelnden Papier, über Blicke erzählend, mit Zeitraffer und der Erklärbär schön im Stall. Er filtert in diesem Liebesfilm die ganze Wut, Verzweiflung, Sehnsucht und Courage aus den Gesichtern seiner Hauptfiguren – eine Paareskonstellation auf dem Prüfstand, die für ein ganzes Land steht. Immer wieder sieht man, daß Kambodscha ein schöner Ort sein könnte, voller Farben in der Kleidung, schöner Menschen mit glänzendem Haar, das pulsierende Leben in Phnom Penh und all die Kulturstätten. Doch Diktaturen haben das Land fertig gemacht: Zuerst die der Khmer, dann die Belagerung der Nachbarn, schließlich das Joch der reichen Westler, die sich wirklich alles erkaufen für beschämend wenig Geld. Das Land ist daran krank geworden, hat seine Würde verschachert, und nun müht es sich um einen Neubeginn.

All das erzählt Buck zwischen den Bildern, aus dem Umfeld heraus, sein Fokus liegt auf der unbeirrbaren Liebe. Und die darf, die muß romantisch sein – im Leben und im Kino sowieso! Für die Glaubwürdigkeit des hart erprobten Bundes stehen die zwei jungen Hauptdarsteller, die perfekt den Verlust der Unschuld, das frühe Erwachsenwerden und den vehementen Kampf für eine bittersüße Zweisamkeit verkörpern. Dazu paßt die Musik, hier darf Rammstein neben Yves Montand und den atmosphärischen Kompositionen von Konstantin Groppers stehen.

Buck hat sich an einen ganz schönen Brocken gewagt, das muß man schon sagen, und hinzufügen, daß es ihm gelingt, den Glauben an eine schwer umkämpfte Liebe aufrecht zu erhalten. Wie gesagt: mit allen Zutaten guten Kinos und dennoch ohne Pretty-Woman-Wattebausch. Schon deshalb ist Bens Bruder, der im Zorn auf Sreykeo über sie mal sagte, sie könne sich Liebe gar nicht leisten, einfach ein Narr.

D 2009, 100 min
FSK 6
Verleih: Delphi

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: David Kross, Apinya Sakuljaroensuk, Michael Ostrowski

Regie: Detlev Buck

Kinostart: 21.01.10

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.