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Samsara (2012)

An die Hand genommen

Das Presseheft stellt eine überaus treffende Frage: „Wie läßt sich etwas in Worte fassen, das jeden Rahmen des bislang Dagewesenen sprengt?“ Tatsächlich dürften Rezensenten dieser – nennen wir sie mal so – Dokumentation geschlossen vor genau jenem Problem stehen. Denn was Ron Fricke und sein Team hier auf die große Leinwand bringen, gehört zwar zweifellos aus visuellen Gründen dort hin, entzieht sich aber einer Einordnung.

Zu den von Ex-„Dead Can Dance“-Ikone Lisa Gerrard komponierten, mal wunderschönen, mal gewöhnungsbedürftigen Klängen schwelgt Frickes Werk schlicht in einer Abfolge von Bildern. Kein Off-Kommentator zerquatscht den visuellen Rausch mit unnötigen Erklärungen, Fricke folgt dem Rhythmus von Erde und menschlicher Existenz, wobei Dualität zumindest anfangs eines seiner Lieblingsthemen zu sein scheint: Leben versus Tod. Pure Farbigkeit gegen tristen Alltag. Sonnenaufgang, Sonnenuntergang. Auch Vergänglichkeit und einsames Überdauern bilden zentrale Leitmotive; etwa dann, wenn verwüstete Wohnungen im Fokus stehen. An den Wänden hängen noch Star-Poster, im Regal verrotten Bücher. Etwas bleibt eben immer zurück, hier nicht auf lange Sicht, aber temporär. Im Kontrast dazu filigrane Buntglasfenster einer Kirche, die wohl schon einige Jahrhunderte existieren.

Hätte Fricke dem Zuschauer über die gesamte Laufzeit solchen Denk- und Fühlraum gelassen, seine (Zitat) „geführte Meditation“ wäre etwas Großartiges geworden. Doch irgendwann scheint den Filmemacher das Vertrauen zum Publikum verlassen zu haben – er beginnt, ihm etwas vorzuschreiben. Der Vergleich zwischen modernen Großraumbüros und menschlich scheinenden Automaten zum Beispiel wirkt unsäglich plump, die übertriebene Darbietung eines Performancekünstlers fügt sich nicht ins Gesamtkonzept, es ist keine funktionierende Idee, das sowieso schon unsäglich hektische Treiben einer Metropole durch Zeitraffer weiter zu verstärken. Und übergewichtige Menschen elend lang beim Verzehr von Fast Food abzulichten, stellt ein so leergefilmtes, dazu überhebliches Motiv dar, daß man nur den Kopf schütteln mag. Wer will schon gern unter dem erhobenen Zeigefinger sitzen und sich plakativ belehren lassen?!

Erst ganz zum Schluß findet Fricke wieder zu vormaliger Stärke, zeigt die Zerstörung eines Kunstwerks. Nur: zu spät. Man hat sich von seiner Vision bereits verabschiedet.

Originaltitel: SAMSARA

USA 2011, 100 min
FSK 0
Verleih: Busch Media

Genre: Dokumentation, Poesie

Stab:
Regie: Ron Fricke
Drehbuch: Ron Fricke
Kamera: Ron Fricke
Musik: Lisa Gerrard

Kinostart: 23.08.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...