1 Bewertung

Samson & Delilah

Eine großartige Überlebensliebesgeschichte

Diese Ecke der Welt kann gottverlassener nicht sein. Ein paar schäbige verfallene Häuschen stehen da in sengender Hitze unter einem Himmel aus ewig gleichgültigem Blau. Auf allem lastet Armut, Staub und Stille, das Leben brütet vorm Lethargie-Erstickungstod. Samson und Delilah heißen die beiden Teenager in diesem Jammertal von durchaus biblischen Ausmaßen. Zwei Aborigines inmitten der australischen Wüste. Samson lebt bei seinem großen Bruder, schnüffelt Klebstoff, treibt sich ziellos herum. Delilah kümmert sich um ihre kranke Großmutter, mit der sie traditionelle Bilder malt, die sie für etwas Geld an einen Weißen verkaufen. Samson nähert sich dem Mädchen. Das bleibt auf Distanz. Als die Großmutter stirbt, wird Delilah von anderen Frauen des Stammes brutal mit Stöcken verprügelt, während Samson in eine gewalttätige Auseinandersetzung mit seinem Bruder gerät.

Ein kleiner, großartiger Film. Ein erneuter Beweis für die ungemeine Erzählqualität des australischen Kinos. Man muß einfach sehen, wie Regisseur Warwick Thornton in seinem Debüt SAMSON & DELILAH das gesprochene Wort auf ein radikales Minimum reduziert, wie klar und einfach die Bilder komponiert sind, und wie klar und einfach sich diese Geschichte fortspinnt. Da fliehen Samson und Delilah bald in die Stadt, nach Alice Springs, wo sie auf eine neue, andere Art erfahren, was sie schon kennen: Gewalt und Geringschätzung.

Dafür findet Thornton Szenen, die gerade in der stillen Verhaltenheit ihrer Inszenierung herzzerreißend sind. Wenn Samson, wieder mal völlig zugedröhnt, vor Delilah hertrottet und nicht bemerkt, wie die von ein paar weißen Jugendlichen in ein Auto gezerrt wird. Wie Delilah Stunden später blutig zerschunden und kaputt bei der Brücke auftaucht, unter der die Teenager ihr dürftiges Lager haben. Diese Blicke vergißt man nicht. Und auch nicht, wie Delilah mit bloßen Händen in den trockenen Boden ein Loch wühlt, um sich hineinzulegen, um sich selbst zu begraben. Was für Momente! Was für Darsteller!

Aber Thornton nennt seinen Film nicht umsonst eine „Überlebensliebesgeschichte“, und genau das ist SAMSON & DELILAH dann auch. Geschönt muß da gar nichts werden, der Film bewahrt sein Gleichmaß, seinen Charakter. Das Ende ist da mehr eine Ahnung eines doch möglichen Glücks, fast ein trotziger Traum, mithin von einiger Fragilität. Und doch so passend und vielleicht auch nötig, weil es tröstet, ohne zu betrügen, und weil es bei Gott nichts vergessen läßt von all dem, was dieser Film zeigt.

Originaltitel: SAMSON AND DELILAH

Australien 2009, 97 min
Verleih: REM

Genre: Drama

Darsteller: Rowan McNamarra, Marissa Gibson

Regie: Warwick Thornton

Kinostart: 05.01.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.