Daß ein großes Budget kein Garant für einen guten Film ist, davon kann sich der Kinobesucher allzu oft überzeugen. Schön, daß mit SABADO - DAS HOCHZEITSTAPE nun eine kleine chilenische Produktion ihren Weg in die Lichtspielhäuser findet, die den Beweis dafür antritt, daß es immer auf die Idee ankommt.
Regisseur Matías Bizes Idee ist denkbar einfach und basiert auf der Überlegung, wie eine Stunde doch das Leben verändern kann. In seinem Film ist es Blanca, die am Morgen ihres Hochzeitstages erfährt, daß ihr Verlobter Victor sie betrügt. Antonia, Überbringerin der Nachricht und gleichzeitig geschwängerte Nebenbuhlerin, läßt sich von ihrem Nachbarn Gabriel und seiner Videokamera begleiten, um alles was passiert festzuhalten. Die Braut reagiert zunächst ungläubig und schockiert auf die Eröffnungen, dann jedoch wirft sie die Hochzeitspläne kurzerhand über den Haufen und beschließt, Victor zur Rede zu stellen. In ihrem Hochzeitsstaat macht sie sich auf den Weg zu ihm und nimmt den Kameramann gleich mit. Er soll nun ihr ganz spezielles Hochzeitsvideo drehen ...
Der Film - im Ganzen 65 Minuten lang - hat keinen einzigen Schnitt und ist fast ausschließlich aus dem Blickwinkel Gabriels gedreht, der, gleich dem Zuschauer, unmittelbarer Zeuge von Blancas Reaktionen wird, inklusive ihres verzweifelten und recht aussichtslosen Bemühens, diesen Tag doch noch zum schönsten ihres Lebens zu machen. Bizes Film wird auf diese Weise zum Dokument, obwohl die Geschichte fiktiv ist. In der Ausstattung und der Wahl der Handlungsorte gestattet sich der Regisseur kleine Anspielungen und Zynismen: Die hysterische Antonia trägt so am Morgen, als sie bei Blanca aufkreuzt, ein T-Shirt mit der fett ins Auge springenden Aufschrift "Mother". Und die besten alten Freunde trifft Blanca in ihrem emotionalen Chaos auf einem Spielplatz, wo sie auf einem Karussell sitzend, einen Joint rauchen.
Die Dialoge der Hauptpersonen erscheinen im rasanten Tempo des Films unbedingt plausibel. In den Inhalten jedoch verweisen auch sie auf eine gekonnte Inszenierung. Diese gelingt nicht zuletzt dank eines talentierten und jungen Darstellerensembles, welches professionell und unverkrampft agiert. Matías Bize, der die Möglichkeiten der digitalen Kamera versiert und talentiert einsetzt, gilt zu Recht als Protagonist einer jungen Bewegung im lateinamerikanischen Kino, die aus dem Mangel an Mitteln eine Tugend macht.
Originaltitel: SÁBADO - UNA PELÍCULA EN TIEMPO REAL
Chile 2003, 65 min
Verleih: Flax Film
Genre: Liebe, Tragikomödie, Experimentalfilm
Darsteller: Blanca Lewin, Antonia Zegers, Diego Muñoz
Regie: Matías Bize
Kinostart: 18.08.05
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.