D 2021, 112 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Darsteller: Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr
Regie: Phillip Stölzl
Kinostart: 23.09.21
Zur Zeit werden bei uns Klassiker der Moderne verfilmt, jeweils von renommierten Regisseuren. Nach Seghers „Transit“, Döblins „Berlin Alexanderplatz“, Kästners „Fabian“ nun also „Die Schachnovelle“ von Stefan Zweig. Es sind nicht alle gleich gelungen, aber immerhin ähnelt kein Film dem anderen. Nur eines kehrt wieder: das Gesicht von Albrecht Schuch, der sich als Mann für abgründige Nebenrollen etabliert. Diesmal überzeugt er als Gestapo-Offizier von erlesener Höflichkeit. Auch Phillip Stölzl hat mit seiner Verfilmung einen eigenen Zugang zur literarischen Vorlage gefunden. Nein, er verlegt die Geschichte nicht in die Gegenwart, sondern beläßt sie, wo sie ist – auf dem schwankenden Boden einer Schiffsüberfahrt während des Zweiten Weltkrieges. Nur die Route hat er geändert. Statt von New York nach Buenos Aires geht es nun von Rotterdam nach New York. Die Rahmenhandlung rückt damit näher an den Krieg heran, verschmilzt sogar zunehmend mit der Binnenhandlung. Die erzählt von der psychologischen Folter, welcher der Wiener Vermögensverwalter Bartok von den Nazis im Hotel Metropol unterzogen wird. Er übersteht die mehrmonatige Isolation und die nächtlichen Verhöre nur dank eines Schachbuches, das er in seine Zelle schmuggelt. Im Kopf spielt er zunächst die wichtigsten Schachpartien nach, bevor er gegen sich selbst antritt. Auf der Überfahrt wird er wieder in diesen Wahnsinn hineingezogen, als sich die zufällige Gelegenheit bietet, gegen den russischen Schachweltmeister zu spielen.
Während die Novelle vom gesellschaftlichen Geplänkel auf dem Dampfer ausgeht und durch verschiedene Perspektiven zum zentralen Schachspiel und zum psychologischen Kern vordringt, verlegt Stölzl die ganze Geschichte gewissermaßen in Bartoks Kopf, hebt dadurch Zeit und Raum auf, läßt das Schiff zur Zelle werden und die Zelle zum Schiff. Als Kitt setzt er noch das Odysseus-Motiv mit ein. Das ist konsequent und setzt fast durchgängig ein düsteres Licht, passend zu Bartoks Persönlichkeitsaufspaltung, die für ihn Rettung und Abgrund zugleich ist. Allerdings verzettelt sich Stölzl ein wenig in seinem motivischen Puzzle-Spiel und bringt sein Schiff auf dem Meer der Beliebigkeit nicht mehr zurück in den Hafen. Die dann doch gelungenere Variante des Topos (Schach als Überlebensstrategie) bleibt die Serie „Das Damengambit.“ Da kommt auch die Spannung des Schachspiels selbst mehr zum Tragen.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...