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Schande

Mitreißendes Drama in einem Land voller Gegensätze

Seine jüngste Eroberung kostet den 52jährigen Literaturprofessor David Lurie, der in Kapstadt romantische Poesie lehrt, den Job: Die von ihm umworbene Studentin und ihr Freund machen den Fall publik, es gibt einen kleinen Skandal, aber anstatt sich zu entschuldigen – wie es schließlich auch die Universitätsleitung von ihm verlangt – räumt Lurie das Feld, gibt seine Stelle auf. Auf dem Land, wo seine Tochter allein eine kleine Farm bewirtschaftet, will er zur Ruhe kommen. Aber der attitüdenbehaftete Romantiker hat es nicht einfach mit Veränderungen und schon gar nicht mit der Gegenwart. Eines Tages bricht diese Gegenwart mit aller Brutalität über ihn und seine Tochter herein, und David, der dabei nur knapp mit dem Leben davonkommt, sieht sein Weltbild in Scherben.

Mit SCHANDE verfilmte der Australier Steve Jacob den gleichnamigen Weltbesteller von J.M. Coetzee und legt damit ein zutiefst verstörendes Drama vor, das den Blick des Literaten auf ein zerrissenes, von Wandel und Krise erfaßtes Land sowie die Menschen darin nachzeichnet. Getreu der Buchvorlage bleiben die Motive der Charaktere auch im Film zuweilen unergründet, und eine metaphernreiche Erzählebene, das „Hundeleben“ etwa, wird auffällig zitiert, kontert Fragen der Plausibilität. Der versierte Mime John Malkovich und die Newcomerin Jessica Haines geben hier kongenial das Vater-Tochter-Paar: Er den weltabgewandten Ironiker, der nicht zur Identifikation einlädt, dessen Präsenz aber nahezu physisch ist; sie die vorwärtsgewandte, vorgeblich nüchterne Pragmatikerin, die mit dem Vater das Gemeinsame in der Verletzlichkeit entdecken muß. Beider Umfeld dominiert eine bedrückende Stimmung.

Die Enge der Innenräume illustriert das Gefangensein der Figuren und den Mangel an Perspektiven, die Nähe der Kamera, wenn sie etwa im Nacken der Protagonisten verweilt, die lauernde Gefahr und die Panoramen einer grandiosen, aber kargen Landschaft Schutzlosigkeit und Ausgeliefertsein. Wer sich auf den Film einläßt, wird Südafrika als ein Land entdecken, über dessen tiefen gesellschaftlichen Gräben neue und auch ungeahnte Verflechtungen entstehen. Das Erzählen davon birgt nicht zuletzt Provokantes.

Originaltitel: DISGRACE

Australien/Südafrika 2008, 120 min
FSK 16
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: John Malkovich, Scott Cooper, Jessica Haines

Regie: Steve Jacobs

Kinostart: 17.09.09

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.