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Die Liebe zu den Egomanen

Agnès Jaoui beherzigt die alte Regel, daß man sein Publikum am schnellsten mit einem Witz gewinnt: ihre dicke, komplexbeladene und schüchterne Hauptfigur trägt den Namen Lolita - einer jener Kalauer, die sich das Schicksal manchmal erlaubt und für die Jaoui schon in ihrem Erstling LUST AUF ANDERES ganz Auge und Ohr war.

Lolita lacht nicht mit, natürlich. Die zwanzigjährige Pariserin leidet daran, daß sie trotz körperlicher Fülle meistens übersehen wird, besonders von ihrem Vater. Oh, dieser Papa ... Sein "großes Mädchen" sitzt mit ihm, dem selbstverliebten Schriftsteller im Café. Er telefoniert, er meckert, ißt und nimmt sie kaum wahr. Auch Gesangslehrerin Sylvia interessiert sich wenig für die anhängliche Schülerin. Erst als sie von Lolitas berühmtem Vater erfährt und sich Vorteile für ihren Mann Pierre erhofft, einen erfolglosen Romancier, ändert sich das.

Jaoui sieht alles: den verstockten Trotz einer Dickhäuterin, die so leicht zu verletzen ist, die Angst des Vaters, aus der Mitte der Welt geschubst zu werden, seine Unfähigkeit, andere wichtig zu nehmen, das Speichellecken von Protegés, die Verlegenheit ertappter Lügner, zusammengebissene Zähne hinter lächelnden Lippen. Und Jaoui hört alles: peinliche Gesprächspausen, falsche Worte zur falschen Zeit, Schmeicheleien, Beleidigungen. Inmitten pointierter Dialoge, zwischen Hauptgang und Dessert, tun sich Abgründe auf. Bis in die Hölle reichen sie nicht, aber am Fegefeuer der Eitelkeiten kann man sich die Hände wärmen. Denn bei aller Treffsicherheit: das wunderbar porträtierte Personal dieses dicht und versiert choreographierten Beziehungsreigens wird trotz, ja wegen seiner Fehler geliebt. Aufmerksamkeit - danach sehnen sie sich alle, und jeder einzelnen Figur gestattet die Regisseurin, sich einmal ganz in den Vordergrund der Geschichte zu drängeln, ihr die eigene Perspektive zu geben.

Man darf diese glänzend unterhaltende Komödie mit ihren vielen genau beobachteten Traurigkeiten getrost leicht nehmen, denn so wurde sie gespielt, geschrieben (Drehbuchpreis in Cannes!) und inszeniert. Im menschlichen Miteinander sind die Fallhöhen eben oft ziemlich klein, ja geradezu zum Lachen winzig.

Originaltitel: COMME UNE IMAGE

F 2004, 2004 min
Verleih: Prokino

Genre: Komödie

Darsteller: Marilou Berry, Jean-Pierre Bacri, Agnès Jaoui, Laurent Grevill

Stab:
Regie: Agnès Jaoui
Drehbuch: Agnès Jaoui, Jean-Pierre Bacri

Kinostart: 25.11.04

[ Sylvia Görke ]