„Wo hat das Weltall sein Ende?“ Das fragte David ins Blaue von Hella Wenders’ 2011 veröffentlichtem Dokumentarfilm BERG FIDEL hinein. Damals war David um die zehn, elf Jahre alt – ein strohblonder, bis zur Erwachsenenhüfte reichender Neunmalkluger mit einem Faible für zehnmalschwierige Denkaufgaben. Der Junge von damals mit Was-wußte-er-wievielen Minus-Dioptrien stellt sich heute erneut Wenders’ Kamera. Das Blau ist nachgedunkelt, das Haar auch, ebenso wie die Hoffnungen auf eine Zukunft, die nicht ausschließlich vom „besonderen Förderbedarf“ diktiert wird – und trotzdem funktioniert.
Dabei stand das erste Zusammentreffen von Protagonist und Filmemacherin unter solch’ einem guten Stern. Der hieß „Inklusive internationale Modellschule“, eigentlich: Grundschule Berg Fidel. Er funkelte über Münster und verbreitete sein alle Abweichungen vom beschulbaren „Regelfall“ überstrahlendes Leuchten in Wenders’ DFFB-Abschlußarbeit über den institutionalisierten Versuch, Unterschiedliches beisammen zu lassen. Freilich schon dort mit der eintrübenden Vorahnung: Auch diese Grundschulzeit würde einmal zu Ende gehen. Und während die Sache mit dem Weltall hiermit an promovierte Experten weitergereicht sei, läßt sich dieses Ende einigermaßen leicht bestimmen. Nach Klasse 4 ist gemeinhin Schluß mit dem Beisammensein. Der Schutzraum wird abgesperrt. Danach geriert sich Schule als Vereinzelungsmaschine, im besten Falle als „weiterführende.“ Wohin und für wen genau, ist die im Hintergrund immer präsente Frage, die nun auch diesem Film seine (bildungs-)politische Relevanz verleiht.
Über die Maßen aufgeregt gibt er sich trotzdem nicht. Wenders bleibt im Fragen, Schauen und Zeigen gefaßt, stellt alte gegen neue Aufnahmen, Kinderklugheit neben Teenager-Direktheit. Denn das sind David, Jakob, Anita und Samira, die Kinder aus Berg Fidel, inzwischen: Teenager mit allem Drum und Dran. Sie laufen nicht auf bildungspolitischen Metaebenen, sondern in ihre verschiedenen Förder-, Gesamt-, Berufs- und sonst welchen Schulen. Sie wandeln auf Freizeit-, Liebes- und WhatsApp-Pfaden. Sie haben manchmal keinen Plan und häufiger keinen Bock – aber doch das unbestimmte Gefühl, daß die Türen, die ihnen wie allen „Beschulten“ offenstehen sollten, ach so leicht ins Schloß zu fallen drohen. Also weiter schön besonders bleiben? Tja, es hilft wohl nichts.
D 2017, 90 min
FSK 0
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation
Regie: Hella Wenders
Kinostart: 21.09.17
[ Sylvia Görke ]