Sie heißen Oliver Rihs und Olivier Kolb, waren jung und hatten das Geld. Sehr zum Leidwesen des Rezensenten brachten sie den Zaster aber nicht zur Bank, sondern investierten ihn in einen Film. Oder besser gesagt: eine Abfolge von kaum bis gar nicht verbundenen Episoden, welche nur den Handlungsort Berlin gemeinsam haben und allerlei schräge Typen ohne rechte Handlung durchs Bild stolpern lassen. Zum Beispiel einen Womanizer, der sich erstmals richtig verliebt, drei notgeile Türken, einen trennungsgeschädigten Schwulen aus dem Schwuchtel-Klischee-Baukasten oder zwei unfähige Hobbysatanisten, welche am finsteren Sonntagsritual scheitern.
Vielleicht ist ihnen nun selbst aufgefallen, daß nach solchen müden Geschichten kein Hahn kräht. Also mußte zwecks Coolness eine schnieke Optik her und wurde ganz SIN CITY-like in edlem Schwarz-Weiß inklusive farbiger Einsprengsel gefunden. Macht zwar keinen Sinn, schaut aber fesch aus. Doch möglicherweise war ihnen klar: Das reicht immer noch nicht. Ergo packten sie den Holzhammer aus und droschen mit Hilfe einiger Freunde zu sechst (!) zwanghaft so ziemlich alles ins Skript, was im deutschen Kino für Diskussionen, ergo unberechtigte Gratiswerbung, sorgt. Da hätten wir unter anderem eine abgehackte Hand, keck in die Kamera gereckte Morgenlatten oder die dringend zu klärende Frage, ob Robert Stadlober als schwules Groupie seinen verehrten Star lieber fickt oder sich ficken läßt. Weil auch Stoffwechselzwischen- und -endprodukte immer für Aufsehen sorgen, wird außerdem inbrünstig gekotzt und gekackt.
Dem pubertierenden Publikum mag dies Freude bereiten, das Grölen beim Anblick einer anal penetrierten Oma dürfte ebenso gesichert sein wie der finanzielle Teilerfolg auf Grund begeisterter "Boah, wie kraß!"-Mundpropaganda. Wessen Herz allerdings für stilvoll und intelligent mit vermeintlichen Tabus spielende Filme schlägt, der sollte sich möglichst nicht in diesen hier verirren. Auf das anfangs genervte Kopfschütteln ob der unglaublich sinnfreien Pseudo-Subversion des Ganzen folgt nämlich bloß noch ein langer Dämmerschlaf aus Langeweile. Denn sie wußten nicht, was sie tun ...
D 2006, 94 min
FSK 18
Verleih: BBQ
Genre: Schräg
Darsteller: Robert Stadlober, Tom Schilling, Oktay Ötzdemir, Jule Böwe, Milan Peschel
Regie: Oliver Rihs
Kinostart: 30.08.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...