Stéphanie ist charmant und phantasievoll, ihre spröde Schönheit wird oft übersehen. So verguckt sich der neue Nachbar Stéphane auch anfangs in ihre beste Freundin. Die Anziehung zu Stéphanie ergreift den jungen Mann erst schleichend, durchsetzt seine Träume, um schließlich verletzende und manische Dimensionen anzunehmen. Stéphane weiß Realität und seine Traumküche (dort ist er sein eigener Showstar) nicht mehr zu unterscheiden. Seine Mutter holte ihn unter dem Vorwand eines spannenden Jobs nach Paris. Nun ist Stéphane gefangen im kleinen Schubfach eines Kalenderverlages, wo das Ausschneiden von Datumszeilen schon als kreative Leistung gilt. Obwohl sich seine stille Nachbarin nicht weniger für ihn interessiert, gefährdet Stéphanes Realitätsverlust die zart knospende Annäherung.
Vor zwei Jahren verhalfen Querkopf Michel Gondry und sein idealer Verschwörungspartner, Autor Charlie Kaufman, dem Kino zu einem der schönsten Tagträume. Sie verknoteten Wunsch und Wirklichkeit und riefen uns zu: VERGISS MEIN NICHT! Wir leisteten Folge. Wie konnte man dieses Wechselbad der Gefühle vergessen, das rührend und komisch zugleich vom Lieben und Entlieben berichtete? Im Alleingang ringt Gondry nun erneut um das Wesen der Liebe, um die Zurechnungsfähigkeit des tagträumenden Stéphane und gegen den wohl hartnäckigsten Gegner: sich selbst. Zu offensichtlich liegen die Karten auf dem Tisch - Stéphane entflieht der Realität in eine von ihm gesteuerte Traumwelt, Stéphanie hat beides in inspirierenden Einklang gebracht. Ihre Begegnung bringt beide aus dem Lot, und den Film gleich mit.
Gondry teilt das Schicksal seines Helden und merkt einfach nicht, wenn er dem Affen genug Zucker gegeben hat. Ein Stoffpony erwacht zum Leben, die großen Katastrophen der Weltgeschichte passieren als Pappkulisse Revue - mögen die Traumszenen anfangs mit origineller Umsetzung verblüffen und schrägem Humor begeistern, so wirken sie bald ausgestellt und bemüht. Bravourös hingegen geraten immer jene Momente, in denen Stéphane unsanft wieder im Leben landet und um Worte der Zuneigung ringt. Hier besinnt sich Gondry seiner famosen Darsteller Charlotte Gainsbourg und Gael García Bernal und offenbart den ehrlichen Kern eines stillen Poesiestücks, das ironischerweise an seinen Schauwerten krankt.
Originaltitel: THE SCIENCE OF SLEEP
F 2006, 105 min
Verleih: Prokino
Genre: Poesie, Liebe, Schräg
Darsteller: Gael García Bernal, Charlotte Gainsbourg, Miou-Miou, Alain Chabat
Stab:
Regie: Michel Gondry
Drehbuch: Michel Gondry
Kinostart: 28.09.06
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