Filmmusik ist immer nur dann gut, wenn man sie nicht bemerkt. Dieser Satz haftet dem Musikgenre an wie ein Stigma. Dabei ist er nur in seiner Generalisierung falsch. Kaum ein anderer Baustein in der Filmherstellung zielt so sehr auf das Intuitive, das Unbeschreibliche im Zuschauer wie der Score. Daß man Filmmusik deswegen nicht bemerken soll oder sie mitunter schlecht wäre, wenn sie bewußt wahrgenommen würde, ist allerdings Mumpitz. Mit diesem Vorurteil räumt auch die Dokumentation von Matt Schrader auf, die jetzt in die deutschen Kinos kommt.
SCORE – EINE GESCHICHTE DER FILMMUSIK ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Kunstform, die im Schatten jenes Mediums steht, dessen Erfolg sie maßgeblich mitbestimmt hat. Das zu belegen, reist Matt Schrader nicht nur zu knapp 50 Komponisten, Musikproduzenten, Filmemachern und Historikern, sondern auch durch die über 100jährige Filmgeschichte.
In klassischer Spielfilmlänge schweift SCORE von den Kinoorgeln der Stummfilmzeit bis zu den heutigen High-Tech-Orchesterscores, vermittelt an aktuellen Beispielen den Entstehungsprozeß von der ersten Spotting Session bis zur Tonmischung, touchiert Musiktheorie und Kompositionstechniken, stellt Stilmerkmale herausragender Vertreter wie Bernard Herrmann, Jerry Goldsmith, John Williams oder Hans Zimmer vor und beleuchtet sogar psychologische und neurologische Aspekte der Musikwahrnehmung.
Matt Schrader will viel, zu viel in 90 Minuten. Er stürzt von einem Themenkomplex zum nächsten, von O-Ton-Schnipsel zu Musikschnipsel, von Kompositionsstudio zu Aufnahmestudio. Statt seinem offensichtlichen Enthusiasmus für die Thematik zu vertrauen und der Musik Raum zum Atmen zu lassen, schlaglichtert Matt Schrader durch das Who Is Who des Berufsstandes. Es braucht nicht 32 Filmkomponisteninterviews, um Vielfalt zu dokumentieren.
Mit einem schlankeren Konzept, der Gewichtung auf ein oder zwei Aspekte wären gewaltige Auslassungen oder krude Verallgemeinerungen etwa in der Filmmusikgeschichte vermeidbar gewesen. Dem Gegenstand seiner Dokumentation hätte er so einen größeren Dienst erwiesen.
Originaltitel: SCORE – A FILM MUSIC DOCUMENTARY
USA 2017, 93 min
FSK 12
Verleih: NFP
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Matt Schrader
Kinostart: 04.01.18
[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.