Filmstudent Julian lebt von Sozialhilfe und hat Angst, seine Filme nicht gefördert zu bekommen. Um sich vor seinen Mitstudenten zu profilieren, vor allem aber, um seinem Schwarm Camille näherzukommen, gibt er an, für sein nächstes Filmprojekt als Arbeiter in einer Plantage zu recherchieren – und schlägt Camille vor, ihn zu begleiten. Daß ihn das Arbeitsamt zur Apfelernte nach Brandenburg schickt, verschweigt er dabei. Tatsächlich stimmt Camille zu, auch wenn sie sein Vorhaben, ihr eine Rolle in seinem „Fairytale On The Beauty Of Communist Utopia“ zu geben, als Hipster-Entschuldigung, sie zu daten, durchschaut hat.
Auf der Plantage arbeiten die beiden mit verqueren Charakteren zusammen, die vor allem deshalb so wirken, weil sie sich, überzeichnet in ihren ideologischen Vorstellungen, marionettenhaft durch aufgesetzt unsinnige Dialoge hangeln. Überhaupt ist das Sprechen im Konglomerat aus Laien und professionellen Schauspielern ein komisches. Die Absurdität kulminiert im Zusammenprallen von poetischen Bildern mit sozialistischem Arbeiterjargon und kapitalistischen Parolen. Was die ausgebeuteten Arbeiter vereint, ist die schwelende Frage nach einem neuen – alten – Gesellschaftsmodell, die Situation beginnt zu brodeln.
Regisseur Julian Radlmaier spielt in SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES als Julian sich selbst und deckt lässig selbstironisch die Mechanismen der Filmindustrie auf. Als Revolutionsverräter verläßt sein Alter Ego die Erntearbeit und schleift auf hippen Berliner Balkonen an finalen Zügen seines Films, während die letzten Proletarier der Plantage in den hoffnungsbringenden Kommunismus ohne Kommunisten aufbrechen. Letztlich bleibt die Ideologie-Kritik des Films als komplexer Eindruck zurück, spielerisch als naives Wunder entblößt, gespickt durch Zitate aus Literatur, Philosophie und Filmgeschichte verrätselt vielschichtig.
Um der Absurdität die Krone aufzusetzen, spricht Julian von der ersten Minute an als Windhund zu uns, der die Geschichte rückblickend bis zu seiner Verwandlung zum Tier bei der Premiere des Films erzählt. Der Film im Film besticht durch eine leicht untersichtige Kamera, welche die präzise gesetzten Blicke der Protagonisten monumental inszeniert, das sperrig-schöne Spiel mit Sprache und Ideenkonstrukten und das Aufbrechen von schauspielerischem Naturalismus, und hat den melancholischen Charme, aus der Welt gefallen zu sein.
D 2017, 99 min
FSK 0
Verleih: Grandfilm
Genre: Tragikomödie, Schräg
Darsteller: Julian Radlmaier, Deragh Campbell, Kyung-Taek Lie, Beniamin Forti
Regie: Julian Radlmaier
Kinostart: 08.06.17
[ Katharina Wittmann ]