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She, A Chinese

Emanzipationsgeschichte mit viel Poesie und ganz ohne Pathos

Mei hat nichts zu verlieren, so viel ist klar. Nicht die ewig zeternde Mutter, nicht den wortkargen Vater, auch nicht den linkischen Verehrer mit Riesenhornbrille, gleich gar nicht die Machos im Billardcafé. Dem Schlamm auf den Straßen ihres Heimatdorfes in Zentralchina zum Trotz,lackiert sie sich die Zehennägel. Wer hier Motoroller oder iPod besitzt, ist King. Die Vergewaltigung durch einen Freund gibt endgültig den Impuls zum Aufbruch. Kein Blick zurück. Ihr Weg führt sie bis London, ohne dort zu Ende zu sein. Begleitet wird sie vom vorwärtstreibenden Soundtrack, der von PJ Harvey-Produzent John Parish stammt.

Die besondere Qualität von SHE, A CHINESE ist, daß der Film Meis Perspektive auf die Welt aus ihrem kulturellen Hintergrund heraus verstehbar macht. Es ist ein weiblicher Blick auf die globalisierte Welt, in der es für die meisten Menschen in erster Linie ums Überleben und erst sehr viel später um Selbstentfaltung geht. In sparsamen Dialogen und präzise gefilmten Bildern – exzellent geschnitten von Andrew Bird – wird eine uralte Geschichte von Sehnsucht und Aufbruch erzählt. Mei will sich nicht abfinden mit dem für sie vorgesehenen Leben in Enge und Engstirnigkeit. Sie hat nichts, kein Geld, keine Ausbildung, keine Beziehungen, keinen Plan, nur einen ungeheueren Überlebenswillen, verbunden mit einem für westliche Maßstäbe fast beängstigendem Pragmatismus. Und so läuft sie einfach los.

Verschiedene Männer geben Meis Weg jeweils andere Richtungen: Der Auftragsschläger Spikey, der ihr das Geld für die Reise nach London vermacht, der alte Herr Hunt, der sie in die Legalität hineinheiratet oder der Inder Rashid, auch er gestrandet in der Fremde. Doch der Westen ist nicht der erträumte wunderbare Ort, und Liebe ist in Ost wie West ein flüchtiges, fragiles Ding. Regisseurin Guo Xiaolu erzählt eine Emanzipationsgeschichte voller Desillusionierungen und ohne jegliches Pathos. Dafür mit dokumentarisch genauem Blick für chinesische und europäische Realitäten.

Und trotz aller Härten gibt es immer wieder wundervoll poetische Momente voller Zärtlichkeit und stillem Glück. SHE, A CHINESE ist einer dieser Filme, die nachhallen im Kopf der Zuschauer.

[ Dörthe Gromes ]