Die Stopuhr läuft! Während der Zeiger gnadenlos seine Runden zieht, sitzen neun Männer und neun Frauen einander gegenüber und lernen sich kennen. 300 Sekunden, fünf Minuten. Das genügt für die Fakten, für den groben Eindruck, keine Zeit für Feinheiten. Was zählt, ist das Ergebnis - genialer Sex, die große Liebe. Drunter geht’s nicht. Willkommen beim Speed-Dating!
Ralf Westhoff ist Unglaubliches gelungen. Aus anderthalb Stunden Dialog machte er eine rasant-unterhaltsame Komödie über den Ausnahmezustand namens Partnersuche. Ein paar Probanden lernen wir im Vorfeld kennen: den ökologischen Hypochonder Frank, der lieber seine Beziehung aufs Spiel setzt, statt in ein Taxi ohne Rußpartikelfilter zu steigen. Die Quasselstrippe Mediha, die selbst beim Zigaretteschnorren ihre Lebensgeschichte erzählt und sicher nur im Schlaf verstummt. Wir erleben das Schlußmachen via Wechselsprechanlage und die therapeutische Rückenmassage als "ersten angenehmen Körperkontakt im 21. Jahrhundert". Dann geht es los. 18 Singles, im Fünf-Minuten-Takt wechseln die Konstellationen. Wer paßt zu wem? Der fleischliebende Koch zur Veganerin? Die Nymphomanin zum Bürokraten, der Gemeinsamkeiten systematisch mit einem Fragenkatalog ergründet? Am Ende werden Kreuzchen gemacht - Wiedersehen ja oder nein É
Natürlich sympathisiert Autor und Regisseur Ralf Westhoff mit manchen Figuren mehr als mit anderen. Doch er hat ein wunderbares Sammelsurium menschlicher Spielarten erschaffen, deren Marotten so fremd nicht sind. Dennoch überrascht er immer wieder mit Kehrtwendungen von Personen und Situationen. Das scheinbar Lapidare formt sich zu einem gut beobachteten Zeitbild und einem gewieften Porträt der Generation Single. Sein sympathisches Ensemble rekrutierte Ralf Westhoff an Münchener Theatern. Mit ihrer Hilfe versorgt er das Publikum im Minutentakt mit Pointen, kleinen, bitteren Wahrheiten und druckreifen Sprüchen à la "Diese verdammte Stadt ist ein Verhütungsmittel!" Er enthält uns auch nicht die Ergebnisse des rasanten Datings vor - vom fatalen Namensdreher bis zur romantischen Ausfahrt per Straßenbahn.
Daß sein Herz für Romantik schlägt, beweist Westhoff mit der zauberhaften Szene eines ungeplanten Wiedersehens an der Käsetheke. Hinter all den Pointen schimmert ein Fingerzeig hindurch: Nicht aufgeben!
D 2006, 90 min
Verleih: X Verleih
Genre: Komödie
Darsteller: Sebastian Weber, Anna Böger, Felix Hellmann
Stab:
Regie: Ralf Westhoff
Drehbuch: Ralf Westhoff
Kinostart: 03.05.07
[ Roman Klink ]