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Shut Up And Play The Hits

LCD im Soundsystem

„Willst Du sie noch einmal sehen?“, fragt ihn ein Kollege. James Murphy zögert noch. Er sieht traurig aus. Die Szenerie hat tatsächlich etwas von einer Beerdigung, die „Leichenhalle“ aber steht nicht auf einem Friedhof. Murphy geht trotzdem hin und berührt die vertraute Ausrüstung ein letztes Mal. Der sichtlich Bewegte hat eine Entscheidung getroffen, der innere Kreis wird wohl Sterbehilfe dazu sagen: Murphys Band LCD Soundsystem hört auf dem Höhepunkt ihres Bestehens auf zu existieren. Zeit für Privates, bevor es zu spät ist. Mit dem Hund rausgehen, Menschen wirklich treffen, vielleicht Kinder zeugen. 20 000 Fans kamen zum letzten Konzert im New Yorker Madison Square Garden, viele von ihnen haben geweint.

Die Regisseure Dylan Southern und Will Lovelace waren davor und danach dabei, im Backstage-Areal, direkt auf der Rampe, im Publikum, im Café, beim Murphyschen Aufwachen am Morgen. Beide sind erfahrene Musik-Dokumentaristen und -Kurzfilmer, arbeiteten unter anderem mit Blur, Björk, Franz Ferdinand, Jack White und den Kills. Genau das sieht man SHUT UP AND PLAY THE HITS auch an. Fesselnde Konzertaufnahmen, Atmosphärisches vom Rande, dazu porträtierende Interviewsequenzen mit LCD-Kopf Murphy. Ihre Kameras erzählen eigene Geschichten, am wichtigsten ist jedoch, daß sie das fulminante Live-Erlebnis dieses denkwürdigen Abends im April 2011 für den Kinosaal und später für daheim so adäquat wie möglich transferieren. So werden die Kernstücke des Konzerts nicht willkürlich zerhackt, um einer allein filmhandwerklichen Ambition zu genügen. Fans der Band werden nach dem Sehen Fans bleiben, viele neue Freunde könnten genau durch diese 108 Minuten heranwachsen. Trotzdem bleibt es für sie zunächst ein Film für zu spät Gekommene.

LCD Soundsystem existierten knapp zehn Jahre und drei Platten lang. Es war ein freies Projekt, das nur im Studio und für Konzerte zusammenfand und dort als Kraftpaket die populäre Musik bereicherte. Den Geist des Punk ließ James Murphy offenherzig auf die feinen Linien des Trip Hop knallen, Elektro vereinigte sich mit Akustik, Kraft mit feinen Linien. Gemeinsam mit bis zu zehn Musikern brannte er live Feuerwerk auf Feuerwerk ab, ihr Soundsystem war berauschend und einflußreich.

Und wer weiß: Es haben schon so viele Künstler gesagt, es sei Schluß, bis sie merkten, es geht gar nicht.

GB 2012, 108 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: Will Lovelace, Dylan Southern

Kinostart: 27.12.12

[ Andreas Körner ]