Sie wirken so goldig in ihrer Schlichtheit. So rührend in ihrer Liebe, glücklich in ihrem Unterwegssein. Alles an Tina und Chris atmet herzenswarme Einfältigkeit. Zwei Menschen, die das Leben weder mit sonderlich viel intellektuellen noch materiellen Gaben überhäufte. Und auch was das Aussehen angeht, ist noch einiges an Platz nach oben offen. Aber na und? All die Schönlinge und Reichen, die saturierten Mittelständler und Bescheidwisser, die ganze verdammte Welt kann doch jemandem, der sich so liebt wie Tina und Chris, das Glück nicht verderben.
Vor allem Tina ist bereit für mentalen Dauersonnenschein, da mag es auf der England-Rundreise im Wohnmobil noch so sehr regnen. Immerhin hat sie es erstmals und dank der Hilfe von Chris geschafft, sich von den unheilvollen Umklammerungen ihrer Mutter, aus dieser Symbiose pathologischen Ausmaßes, zaghaft zu emanzipieren. Das brachte zwar den Kollateralschaden eines auf Stricknadeln aufgespießten Hündchens (ein blöder Unfall) und eine jammernd am Boden liegende Mutter (Treppensturz? Nein, nur erpresserisches Theater!) mit sich, was aber alles trotz schlechten Gewissens Tina nicht abhalten kann, sich endlich ihren Anteil vom Glück zu holen.
Gibt es eine Steigerung von Schwarz? Vielleicht nur im Kontrast zum Weiß. Zur Unschuld, die diese beiden Turteltauben Tina und Chris verbreiten. Diese in vielerlei Hinsicht Unterprivilegierten, denen man so gern etwas Glück gönnt. Es ist genau das, was Chris Wheatleys SIGHTSEERS zu einem echt fiesen Filmchen macht. Spröde und passend im Low-Budget-Stil, also quasi wie im Jogginganzug daherkommend, verlockt es fast lüstern zur Sympathie für diese beiden Antihelden im Wohnmobil. Um bald hämisch händereibend in diese Liebes- die Mordgeschichte zu spinnen.
Entpuppt sich Chris doch schnell als Psycho, der auch schon mal den Rückwärtsgang einlegt, wenn ihn ein Mitbürger nervt, und der blöd genug ist, das hinter Chris’ Wohnmobil zu tun. Und (auch schauspielerisch) ein Irrwitz ist, wie Tina das erst erschreckt, dann anmacht, und sich diese Liebe plötzlich als eine unheilvolle Seelenverwandtschaft zeigt. Was sich, ohne psychologische Erklärungen überzustrapazieren, auch bei drastischen Mordszenen mit einer sperrig-spröden Beiläufigkeit zum fatalen Drama um Abhängigkeit, Manipulation und Macht verdichtet, dessen Ende desillusionierender und schwärzer nicht sein könnte.
Originaltitel: SIGHTSEERS
GB 2012, 92 min
FSK 16
Verleih: MFA
Genre: Killer, Komödie, Thriller
Darsteller: Steve Oram, Alice Lowe, Eileen Davis
Regie: Chris Wheatley
Kinostart: 28.02.13
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.