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Sin Nombre

Innenansichten einer Welt am Abgrund

Wow! Beim Blick auf das Plakat von SIN NOMBRE fällt sofort ein im doppelten Sinn vielversprechender Schriftzug auf. Grund genug zur Frage: Hält der Film, was dort angepriesen wird? Wir schreiten zur Antwort.

„Ein Gangster-Movie“: Teenager Casper lebt in Tapachula, sein Leben gehört der Gang Mara Salvatrucha. Eine Existenz am Limit, geprägt von Gewalt und Kampf gegen die verfeindeten Chavala. Caspers bester Freund, der 12jährige Smiley, wurde soeben einem grausamen Aufnahmeritual unterzogen, von seinen Bandenbrüdern in spe halb zu Tode geprügelt. Als wären diese Bilder nicht schon verstörend genug gewesen, soll Smiley im zweiten Teil der Prüfung einen gefangenen Chavala töten. Er tut es ohne größere Gefühlsregung, und man begreift plötzlich, welcher sinnlose Haß in Mexikos Schatten regiert. Zumal Caspers Freundin nur Sekunden später tot im Dreck liegt, nachdem sie sich dagegen wehrte, vom Gang-Anführer vergewaltigt zu werden. Der Mensch ist des Menschen Wolf.

„Ein packender Thriller“: Zwangsläufig eskaliert die Situation, Casper muß vor der Mara fliehen, welche nun über ihn das Todesurteil gesprochen hat. Ab sofort gelingt es SIN NOMBRE ohne Anstrengung, Dynamik (Kamera) und Ruhe (melancholische Musik) geradezu organisch zu verbinden, mit durchschlagendem Erfolg für die Spannungskurve. Hinzu kommt, daß ein Auftragskiller Caspers Ableben besorgen soll – und zwar niemand anderer als Smiley. Noch zynischer hätte man die Geschichte wohl kaum erzählen können.

„Eine berührende Lovestory“: Auf der Flucht lernt Casper schließlich Sayra kennen. Das Mädchen versucht, zu seinem Vater in Amerika zu gelangen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Entbehrungen sind natürlich auch während Sayras Reise an der Tagesordnung, und vielleicht faßt sie genau deswegen Vertrauen zu Casper, wagt sogar zu sagen: „Alles ist gut, wenn wir zusammen sind.“ Caspers Antwort darauf spricht allerdings Bände: „Im Gegenteil.“ Er hat abgeschlossen, fürchtet den Tod nicht mehr, will nur würdevoll sterben. Und Smiley kommt immer näher.

Fazit: viel versprochen, alles gehalten. SIN NOMBRE raubt schlicht den Atem, neben stark gezeichneten Charakteren unter anderem wegen einer finalen Szene, welcher es fern jeden Pathos’ gelingt, Schmerz und Hoffnung, Tränen und Lächeln, Verlust und Erlösung parallel existieren zu lassen. Obwohl sie doch bloß einen Anruf zeigt.

Originaltitel: SIN NOMBRE

Mexiko/USA 2009, 95 min
FSK 16
Verleih: Prokino

Genre: Drama, Thriller, Liebe

Darsteller: Edgar Flores, Paulina Gaitan, Kristyan Ferrer, Tenoch Huerta Mejía, Luis Fernando Peña

Stab:
Regie: Cary Joji Fukunaga
Drehbuch: Cary Joji Fukunaga

Kinostart: 29.04.10

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...