Wer beruflichen Erfolg haben will, muß bekanntlich Opfer bringen. Erst recht als ehemals gefeierter Romanautor, welcher wahre Verbrechen in Buchform verarbeitet und schon lange keinen Bestseller mehr schrieb. Auftritt Ellison Oswalt. Auf verzweifelter Suche nach dem nächsten Hit schleift der Mann die darüber wenig erbaute Familie mal wieder in ein Kaff im Hinterland, weil dort einst ein Massaker geschah. Stilecht bewohnt man auch gleich den Ort des blutrünstigen Geschehens, was Ellison den Lieben aber verschweigt, erinnert Gattin Tracy doch sowieso schon spannungsreich genug daran, daß Daddy sich mehr um den Nachwuchs kümmern könnte. Solch’ clevere Geheimniskrämerei nutzt aber erwartungsgemäß nichts – mit seltsamen Geräuschen geht’s los, einen gemordeten Skorpion später findet Ellison Videobänder. Und diese zeigen Schreckliches ...
Found-Footage-Wackelbilder treffen also auf professionell inszenierten Horror – nette Idee, deren Ergebnis seitens der US-Presse bereits hymnisch gefeiert wurde. Vom gruseligsten Film des Jahres war da die Rede, und tatsächlich kann SINISTER diesen Anspruch durchaus erfüllen, wenn auch eigentlich nur mangels Alternativen. Denn ganz ehrlich: Beim Erzeugen von Nervenkitzel ist das Ganze teils klug wie drei Meter Feldweg. Natürlich kreischt, bumst und kracht es gewohnt dissonant von der Tonspur, klar sollte man besser nie hinterfragen, wieso Ellison vom kleinsten Piep erwacht, während seine Angehörigen selbst dann selig schlummern, wenn die halbe Hütte zusammenbricht. Auch mancher irrelevante Nebenhandlungsstrang duftet nach unnötiger Effekthascherei, so die gen Nirgendwo führende Alptraumneigung von Ellisons Sohn.
Trotzdem stellt sich der gewünschte Schauer ein. Was daran liegt, daß hier jemand seine Hausaufgaben gemacht hat, wunderbar altmodisch inszeniert, mit Licht und Schatten spielt, außerdem bei potentiell zum erhöhten Kunstblutverbrauch einladenden Szenen konsequent abblendet und ebenfalls weiß, daß Blaufilter oder ähnliche Mätzchen heutzutage kein Mensch mehr sehen mag. Folgerichtig finden die vielfältigen und grundsätzlich kaum zimperlichen Mordtaten warm bebildert statt, arbeitet sich das Grauen noch durch Augen, Gesichter, Gesten.
Um für reine Fazitleser ergo zu einem solchen zu gelangen: SINISTER ist sicher Unfug, aber der sehenswerten Sorte. Effektives Ende inkludiert.
Originaltitel: SINISTER
USA 2012, 110 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch
Genre: Horror
Darsteller: Ethan Hawke, Juliet Rylance, James Ransone, Fred Dalton Thompson, Vincent D’Onofrio
Stab:
Regie: Scott Derrickson
Drehbuch: Scott Derrickson
Kinostart: 22.11.12
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...