Der Koreaner Bong Joon-Ho ist ein Regisseur, dessen neuen Arbeiten man immer ein gutes Maß Neugier entgegenbringt, während man nach dem Sehen dann oft erst einmal nicht genau weiß, was man von dem eben Gesehenen halten soll. Galt schon für den Monster-Familienmelodram-Trash-Kunstwerk-Mix THE HOST (2006). Und ist jetzt bei SNOWPIERCER wieder so.
2031 ist die Welt eine Schneewüste. Überleben in dieser unmöglich. Allerdings hat sich die Gattung Mensch oder das, was von ihr noch übrig ist, ein Refugium der Weitererexistenz geschaffen. In einem Zug, dem titelgebenden Snowpiercer, rast man über ein die ganze Welt bedeckendes Schienennetz. In einer ziellosen Bewegung. Ohne Aufbruch und Ankommen, durchs ewige Eis, aus dem vereinzelt die Ruinen einstiger Metropolen ragen.
Das ist schon stark: Diese steril-weiß gleißende Weltanmutung, mit der SNOWPIERCER aufwartet, läßt einen tatsächlich frösteln. Und der Kontrast, den Bong Joon-Ho dagegenschneidet, auch: Führt er doch mitten hinein ins Verdreckte, Enge und Dunkle jener hinteren Zugwaggons, in denen bleiche, erschöpfte Menschen zusammengepfercht sind wie Vieh. Denn es gibt eben immer noch, was es immer schon gab: die im Schatten, am Ende der Kette, die hier das Ende des Zuges ist. Und die im Licht. Die Oberen, die jetzt quasi die Vorderen sind, und deren Vorderster der Zugführer Wilford ist. Ein Diktator, Lenker dieser Maschine, deren soziale Maschinerie wiederum die im hinteren Zugteil allemal zum Zermalmen vorsieht. Getreu einem Sozial-Darwinismus, der Gewalt und Unterdrückung als naturgegeben legitimiert. Allerdings: Es regt sich Widerstand. Die Revolte wird kommen.Und ihrerseits zu einer Mechanik gehören, das darf man verraten, in der alle Beteiligten vom großen gottgleich vorausplanenden (Lok-) Führer zu kleinen Zahnrädchen degradiert sind.
Es ist dieses pseudo-philosophierende, gern auch salbadernd Gleichnishafte, was an SNOWPIERCER nervt. Zugleich aber hat der Film dann wieder in seiner Konsequenz etwas sehr Eindringliches. Es gibt herrlich schillernd überzeichnete Figuren, einen drastischen Graphic-Novel-Hyperrealismus und so rabiat wie souverän choreographierte Gewalt. Und wie gehabt fährt Bong Joon-Ho auch hier wieder nicht auf üblichen Bahnen, sondern jagt derart über Genre-Weichen und Erzähl-Schienen, daß man wieder einmal nicht wirklich sagen kann, ob man einer Entgleisung oder einer Tour de force beiwohnt.
Originaltitel: SNOWPIERCER
Südkorea/USA/F 2013, 125 min
FSK 16
Verleih: MFA
Genre: Science Fiction, Action, Drama
Darsteller: Chris Evans, Jamie Bell, Tilda Swinton, John Hurt, Ed Harris
Regie: Bong Joon-Ho
Kinostart: 03.04.14
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.