Blaß und verschlossen, drangsaliert von seinen Mitschülern und unverstanden von seiner Mutter, mit der er im Neubau einer Sozialsiedlung lebt, weiß Oskar mit seinen zwölf Jahren schon verdammt viel vom Martyrium der Einsamkeit. Das vor allem ist es anfänglich, was ihn mit dem geheimnisvollen Mädchen Eli verbindet. Sie taucht in der Dunkelheit eines Winterabends plötzlich auf dem verlassenen Spielplatz auf. Eine rätselhafte Schöne. Haare schwarz wie Ebenholz, Gesicht weiß wie Schnee. Schnell wird Eli die Eine, die Oskar versteht, ihm zuhört, Kraft gibt. Ein Engel der Nacht. Auf deren bleichen Lippen jedoch bald rot das Blut leuchtet. Das Blut ihrer Opfer.
Was für eine Mischung! Vampire in Schweden, Gothic Novel im Sozialbau, Coming Of Age-Drama als Horrorstück. Autor John Ajvide Lindqvist schrieb die Erzählung (und das Drehbuch), Tomas Alfredson inszenierte sie. Und endlich, endlich gibt’s mal wieder einen Genrebeitrag, der was von Atmosphäre versteht, der nicht nur ab- sondern auch tiefgründig erzählt, und der – das vor allem – es tatsächlich schafft, so Gegensätzliches wie den Gestus einer weltfernen, dunklen Romantik mit dem sehr Diesseitigen des Sozialkinos zu koppeln.
SO FINSTER DIE NACHT reizt die Grenzen des Vampirfilms sehr weit und ebenso souverän aus. Ohne sie allerdings zu überschreiten. Das kann man bedauern. Vorzuwerfen ist es dem Film nicht. Zumal der sich auch in seinen Schwächen – zwischenzeitlich schleift das Tempo, auch kommen ein, zwei Splattereffekte etwas zu gewollt daher – bewahrt, was ihn so wunderbar trägt: diese seltsame Atmosphäre einer frostklaren Wintermärchenmagie, die verblüffende Glaubwürdigkeit, mit der sich diese unmögliche Verbindung zwischen Oskar und Eli entfaltet. Der hübsche Nihilismus, in dem hier das Grauen Erlösung birgt. Ein Nihilismus im Übrigen, der eben nicht als ausgestellte Provokation, sondern als stille Zwangsläufigkeit daherkommt.
Dazu paßt ein Humor, der davon kündet, was es heißt, wenn Liebe stärker als der Tod und dabei für so manchen tödlich ist. Und auch, wie schön das aussehen kann, dieses Schwarz, Weiß, Rot – wenn etwa zur finsteren Nacht aus einer Schlagader heiß pulsierend das Blut in den kalten Schnee schießt.
Originaltitel: LÅT DEN RÄTTE KOMMA IN
Schweden 2008, 114 min
FSK 16
Verleih: MFA
Genre: Horror, Teenie, Literaturverfilmung
Darsteller: Kare Hedebrand, Lina Leandersson, Per Ragnar, Henrik Dahl
Regie: Tomas Alfredson
Kinostart: 25.12.08
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.