Ein Roman und ein Fernseh-Mehrteiler erzählten bereits in den 50er Jahren die Geschichte der spektakulären Flucht des deutschen Soldaten Clemens Forell aus einem sibirischen Gefangenenlager, die ihn 1952 endlich in die Heimat führte - und nun ein Kinofilm. Am Anfang der Odyssee steht der Abschied von schwangerer Frau und kleiner Tochter. 1945 ist der Spuk vorbei, doch nicht für Forell. Die Russen verurteilen ihn zu Zwangsarbeit im sibirischen Kap Deschnew - allein der Weg dorthin kostet ein Jahr und unzählige Leben, die Arbeit im Bleibergwerk fordert weitere Opfer. Nach zwei Jahren Haft gelingt Forell mit Hilfe des deutschen Lagerarztes Dr. Stauffer die Flucht: durch das karge Nordsibirien, ständig bedroht von der Natur und seinen Verfolgern, geht es nach Ulan Uhde, nördlich der Grenze zur Mongolei, von dort bis in den Iran und schließlich über die Türkei nach München.
Zu solch einem Mammut-Projekt gehört Verwegenheit - finanziell wie künstlerisch! Die Schauplätze sind so unwirtlich wie zahllos, Bauten, Maske und Kostüme sollen Echtheit atmen, ein vielsprachiges Schauspielerensemble will koordiniert und geführt werden. Doch trotz des immensen Aufwands ist das Ergebnis kaum mehr als durchwachsen. Schwer können sich Szenen von ungeheurer Intensität - vor allem die grausame Zugfahrt in die Gefangenschaft gehört dazu - gegen die unfreiwillige Komik behaupten, die ein Gespräch Forells mit einer eben erlegten Robbe erzeugt: "Tut mir leid, aber ich brauche dein Fett." Die würdige Schönheit der Eiswüsten-Aufnahmen gefriert zum pummeligen Schnee-Relief, wenn sie Bildern der bayrischen Heimat mit betender Tochter und beherztem (im Dialekt aber unbestimmten) Briefträger die Stirn bietet. Unter Zutun einer brachial-sentimentalen Filmmusik übertritt Forell auf seinem Gewaltmarsch durch die ethnischen Facetten des Stalin-Imperiums bisweilen die schmale Grenze zur Folklore, auch wenn es eher die von Karl May oder Indiana Jones ist.
D 2001, 158 min
Verleih: Angel Falls
Genre: Literaturverfilmung, Abenteuer, Drama
Darsteller: Bernhard Bettermann, Michael Mendl, Antonio Wanneck, Hans-Peter Hallwachs
Regie: Hardy Martins
Kinostart: 27.12.01
[ Sylvia Görke ]