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Solino

Hommage an die Liebe und das Kino

Wenn es im deutschen Kino gefühlvoll rascheln und episch knistern soll, dann muß meist Sepp Vilsmair ran, und der vergeigt’s mitunter. Diesmal wagte sich der talentierte Fatih Akin an einen Stoff, der komplexer kaum sein kann: eine temperamentvolle Familiensaga, ein leidenschaftlicher Brüder-Zwist, eine aufopferungsvolle Liebe. Und: Akin besteht mit Bravour und Eleganz. Doch der Reihe nach.

Gigi und Giancarlo, zwei italienische Rotzlöffel in den 60er Jahren, sind im Wesen sehr verschieden. Der größere ist eher das Schlitzohr, das kindliche Rauhbein, das sich mit weniger galanten Mitteln durchsetzt. Gigi hingegen ist der verträumte Knabe, der die Augen von der Mutti hat. Die Kindheit in Italien erfährt ein jähes Ende, als die Familie vom sonnigen Solino ins schornstein-nebelige Duisburg auswandert. Eben dorthin, wo die Arbeit ist.

Die Eltern eröffnen eine Pizzeria, die beiden Söhne werden fest mit eingebunden. Eines Tages dreht der große Baldi in Duisburg, und sein Filmteam speist bei den Amatos. Gigis Herz fängt laut zu pochen an, als er erstmals einem Regisseur mit kleinen Assistenzarbeiten behilflich sein darf. Für ihn steht sein Lebensziel schnell fest: Filme machen. Doch bis dahin ist es noch ein langer, steiniger Weg. Erst mal erwachsen werden. Damit gehen die Schwierigkeiten auch richtig los, denn Gigi und Giancarlo begehren das selbe Mädchen ...

Fatih Akin hat einen elegischen und kühnen Film gemacht. Kühn schon deshalb, weil er dem großen Gefühl vertraut. Tränen sind ihm nicht suspekt. Er erteilt damit der kühlen Emotions-Ökonomie des deutschen Kinos eine klare Absage. Wunderbar, daß Akin - ohne zu kopieren - gerade bei der Kindheitsschilderung ganz nahe an die Magie eines Tornatore heranreicht. Das wird ihm so schnell keiner nachmachen. Die 70er Jahre nutzt er für einen flotteren und auch witzigeren Ton, was allein schon durch Kostüme und Ausstattung bestens gelingt.

Die verblüffendste Leistung Akins in diesem ungewöhnlichen Film aber ist, daß er es schafft, neben diesem wuchtigen Erzählkomplex aus Liebe, Haß und Vergebung fast sanft einen liebevollen Kniefall hinzulegen. Der Kniefall für eine Liebe, die auch die größte seines Lebens ist. Die Liebe zum Kino.

D 2002, 120 min
Verleih: X Verleih

Genre: Drama, Familiensaga, Liebe

Darsteller: Moritz Bleibtreu, Barnaby Metschurat, Antonella Attili, Lucas Gregorowicz

Regie: Fatih Akin

Kinostart: 07.11.02

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.