Im Prinzip geht’s wie im Märchen los. Ulises - welch ein Name! - lebt in einer malerischen Küstenstadt und flüstert seiner angebeteten Martina so lange zärtliche Poesie ins hingebungsvolle Ohr, bis sie gar nicht mehr anders kann, als ihm zu verfallen. Doch dann passiert Schlimmes: der Romantische kommt vom Thunfischfang nicht wieder, einzig sein zerschmettertes Boot findet man an der schroffen Küste.
Martina ist ganz kurz von ganz tiefer Trauer erfüllt, gibt sich dann aber recht flott in die Arme des Bauunternehmers Sierra. Von nun an schwimmt sie im Geld, kein Wunsch ist unerfüllbar, aus dem bescheidenen Mädchen wird die Zicke. Doch dann passiert Gutes: Ulises taucht auf einmal wieder auf. Martina versteckt ihn vor Sierra, in einem seiner lehrstehenden Hochhäuser. Die beiden einst Verliebten treffen sich fast täglich, reden kaum, vögeln dafür so sehr, daß sich die Fliesen im Luxusappartment lockern. Bald kommt Sierra dieser heimlichen Balz auf die Spur. Jetzt ist das Märchen zu Ende, denn es kann nicht mehr gut ausgehen.
An sich ist das ja eine recht hübsche Mär, die Bigas Luna da zu fabulieren versucht, doch was ihn von anderen Meistern des wilden, freizügigen spanischen Kinos leider unterscheidet, ist das Gespür dafür, was man eigentlich wirklich zu erzählen hat. Luna zerdreihäckselt seine Geschichte um eine unmögliche Liebe nahezu spannungsfrei in ein Vorher, Während und Hinterher und dies auch noch in derart lahmem Tempo, daß man schon im ersten Drittel nicht mehr wirklich wissen will, wie’s denn nun weitergehen könnte.
Ungemütlich wird’s aber, wenn Luna sein Publikum mal wieder vergißt, sich alleine wähnt und den eigenen Altherren-Phantasien erliegt. Da tropfen schon mal glitschnasse Damenschlüpfer in nicht enden wollender Einstellung von der Wäscheleine, da zutscht das rassige Weib Martina in verführerischer Pose einer Zitrone dermaßen verbissen den Saft aus der Frucht, daß man meint, es könnte ihre letzte sein. Schnell wird klar, warum sich der alte Schwerenöter Bigas diese ansonsten völlig unsinnige Szene gönnt, denn schon läuft der feucht-saure Nektar in breiten, unaufhaltsamen Strömen die Finger runter ...
Señor Luna, wir wissen schon, was sie meinen. Wir wollen’s bloß nicht sehen.
Originaltitel: SON DE MAR
Spanien 2001, 93 min
Verleih: Arsenal
Genre: Erotik, Drama
Darsteller: Jordi Mollà, Leonor Watling, Eduard Fernández
Regie: Bigas Luna
Kinostart: 31.10.02
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.