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Songs From The Second Floor

Immer Stau auf dem Kreuzweg!

Ein schwedischer Filmbote hat Nachricht für die Ab- und Aufgeklärten, die Immersatten, die mißgelaunten Atheisten: Ein neuer Tag, eine neue Zeit ist da! Einem Orakel namens Lennart legt Roy Andersson diese Worte unter die Sonnenbank in den Mund. Der gepflegte Prophet spricht: jegliches Ding hat seine Zeit. Er wird wohl recht haben, denkt sich der Belehrte, geht in die Firma und entläßt noch ein paar Leute. Für den Bau des urbanen Labyrinths aus sakralen Räumen, in dem seine Figuren versickern, brauchte Andersson biblische vier Jahre. Die Kamera ist wie seine schwer an Leben und Schuld Tragenden ans Kreuz der Unbeweglichkeit geschlagen, registriert die kahlen Wände ringsum und stilisiert sie zu zweifelhaften Götzen. Für die süße Ewigkeit komponierte Studiosets - nicht schattenreich wie bei Murnau, dafür illuminiert von einem fahlen Licht - halten Endloswege bereit und Türen zum Nichts. Diese statische Zwischenwelt leidet zudem an Verstopfung, denn es ist Stau. Aus ihm lösen sich in assoziativen Szenenfolgen Jesus-Doubles.

Thomas, der ehemalige Poet, weint in der Irrenanstalt um die Welt. Sein Vater Karl, der Möbelhändler, irrt mit wechselnden Lasten durch die Straßen: eine Plastiktüte mit der Asche seines abgefackelten Ladens, dann etwas Obst und endlich eine hölzerne Christusfigur, die er zu denen eines Bekannten auf den Müllhaufen Golgatha schmeißt. Menschenopfer für die Jugend, wollüstige Weiber, greise Hitlergrüßer, ein gehängter Russe, ein verprügelter Fremder, das mißglückte Zauberstück mit der zersägten Jungfrau - überall sind Tretminen aus biblischen Fragmenten und surrealem Wahnsinn ausgelegt. Schillernde Sinnexplosionen, absurd übersteigerte Bestandsaufnahmen einer Gesellschaft im Stillstand, die Verheißung eines Himmels, aus dem Buñuel und seine Brüder im Geiste herab feixen. Anderssons etwas andere Bergpredigt preist jene, die sich setzen oder sich die Finger einklemmen, sein Evangelium verkündet die endgültige Versöhnung von Gott, Kino und Gelächter.

Originaltitel: SNGER FRN ANDRA VNINGEN

S/F/DK 2000, 98 min
Verleih: REM

Genre: Schräg, Tragikomödie

Darsteller: Lars Nordh, Stefan Larsson, Torbjörn Fahlström

Stab:
Regie: Roy Andersson
Drehbuch: Roy Andersson
Musik: Benny Andersson

Kinostart: 23.05.02

[ Sylvia Görke ]