D/F/Mexiko 2016, 118 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Polit
Darsteller: Johnny Ortiz, Rory Cochrane, Khleo Thomas, Aml Ameen
Regie: Rafi Pitts
Kinostart: 10.11.16
Eine starke Szene gibt es gleich ziemlich zu Beginn. Zu sehen ist ein entspanntes Volleyball-Match über den hohen Grenzzaun hinweg, der die Vereinigten Staaten von Amerika von Mexiko trennt. Auf der einen Seite US-Soldaten, auf der anderen junge Mexikaner. Eine ganze Weile schaut die Kamera dem Treiben zu, dabei fest auf der mexikanischen Seite verbleibend. Nah bei jenen jungen Männern, deren Sehnsuchtsziel jenseits dieses Grenzzauns liegt, in jenem Land, in das legal einzureisen ihnen nicht möglich ist, und das illegal zu erreichen sie im Ernstfall von den „Spielkameraden“ auf der anderen Seite gehindert würden.
Eine Szene absurder Normalität als (vermeintlich) harmloses Intro. Denn welche Ausmaße die bittere Unsinnigkeit dieser Normalität haben kann, welch’ zynisches Spiel in dieser gespielt wird – davon erzählt SOY NERO, der neue Film Rafi Pitts. Daß der Regisseur aus dem Iran stammt, mag ihm durchaus geholfen haben bei dieser Geschichte über Menschen, die ob einer politischen Gemengelage in absurde, die eigene Existenz, das eigene Leben gefährdende Situationen gezwungen werden.
Nero heißt einer der Volleyballspieler, der sich hier bald erfolgreich daran macht, den Grenzzaun zu überwinden. In einer Silvesternacht, während am Himmel die Feuerwerkskörper explodieren, gleich einer Begrüßung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Durch das die Handlung Nero erst einmal folgt, mit einer Reihung von Episoden und Begegnungen, bis hin nach Los Angeles und zu Bruder Jesus. Mit dessen Papieren gelingt es Nero, sich bei der US-Armee als sogenannter Greencard-Soldier einzuschreiben. Der Deal dahinter: Zwei Jahre als Soldat im Krieg gegen den Terror – und nach Ablauf der Verpflichtung winkt die unbefristete US-Aufenthaltsgenehmigung. Und so sitzt Nero ehe er sich versieht mitten im irakischen Kriegsgeschehen. Vom Sehnsuchtsziel Amerika weiter entfernt denn je.
Basierend auf den wahren Erlebnissen des Mexikaners Daniel Torres erzählt SOY NERO eine Odyssee der Vergeblichkeit in stillen, epischen Bildern. Was zu Beginn wie ein Versprechen gewirkt haben mag, Volleyballspiel und Feuerwerk etwa, hat sich spätestens im Irak als Menetekel entpuppt. Im arabischen Wüstensand enden nicht nur die Träume vom Leben in God’s Own Country, sondern oft auch das Leben selbst. Weit entfernt von Amerika für Amerika sterben, ohne Amerikaner sein zu dürfen. Absurd. Normalität.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.