Quizfrage: Wovon träumt man als amerikanische Geschäftsfrau? Richtig – einem Flug ins All! Also tritt Anousheh Ansari einen solchen an, kostet bloß 20 Millionen Dollar, Portokasse quasi. Richtig albern wird es aber, wenn sich Ansari verbal indirekt auf eine Stufe mit Gandhi stellt oder ihren Weltraumtrip als Befreiungsschlag für alle Frauen betrachtet. Das bleibt, wie es sich für Dokumentationen zum Weiterdenken gehört, unkommentiert. Und vielleicht hegt das schöne Geschlecht insgeheim ja wirklich ausnahmslos den Wunsch, die Erde mal von oben zu betrachten, man(n) weiß es nicht.
Jedenfalls sind die entstandenen Bilder aus der Schwerelosigkeit von atemberaubender Eleganz, teils gar spektakulär. Im Parallelschnitt lernen wir Schrotthändler kennen, welche im kasachischen Niemandsland abgestoßene Raketenstufen – „Rüben“ genannt – sammeln und diese nach China verkaufen, wo aus ihnen feinste Alufolie (!) fabriziert wird. Ein harter, durch giftige Inhaltsstoffe gleichfalls mit Gesundheitsrisiken verbundener Job, den Fotograf Jonas Bendiksen begleitet. Er dient gleichzeitig als wandelndes Lexikon in Sachen sowjetischer Raumfahrtgeschichte. Dennoch sollten selbst Leser, denen jetzt eine dröge Wissenschaftsdokumentation vorschwebt, unbedingt den Kinobesuch wagen, denn auch Unterhaltsames kommt nie zu kurz. Etwa dann, wenn die potentielle Frauenrechtlerin Ansari sogar im All bereits nach zwei Tagen zum Staubsauger greift. Freiwillig!
Abgerundet wird der Blick auf einen uralten Menschheitstraum schließlich noch durch einen (O-Ton) Weltraum-Enthusiasten auf seinem erhofften Weg zum Mond sowie den amerikanischen Computer-Mogul Charles Simonyi, ebenso ein „Space Tourist“, dessen Erkenntnisse von bahnbrechender Beobachtungsgabe zeugen: „Das All ist ein hartes Umfeld.“ Schau mal an. Am Ende bleibt, neben dem Wissenszuwachs, ästhetischen Freuden und regelrecht verflogenen anderthalb Stunden, die Erkenntnis, daß wohl auch im fernen Weltraum der Sinn humanen Lebens nicht liegen kann.
Was übrigens allein schon eine herrlich skurrile Szene aufzeigt, welche ohne Worte treffend die Beschränktheit des menschlichen Geistes illustriert: Ansari, gerade erst wieder gelandet, wird von einem Komitee empfangen, das ihr, der soeben aus der Kapsel Gehobenen, sofort einen Blumenstrauß auf den Astronautenanzug klatscht. Na klar. Was denn sonst.
CH 2009, 98 min
Verleih: Kool
Genre: Dokumentation
Darsteller: Anousheh Ansari, Jonas Bendiksen, Charles Simonyi
Regie: Christian Frei
Kinostart: 29.07.10
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...