Daß Werbung alles sein darf, um Einprägsamkeit zu generieren, gar richtig doof, wissen primär die Älteren: Wir erinnern uns an Frau Sommer, die auf Parties auftauchte, um nicht mal aus Anstandsgründen runterwürgbare Bohnenbrühe („Alle Tassen noch halb voll!“) durch köstlichste Kaffeegenüsse zu ersetzen. Oder jene Damen, welche enthemmt die Fingernägel in spontan aufpoppende Näpfchen tauchten („Sie baden grade Ihre Hände drin!“). Derlei Nachdrücklichkeit, das vorab, erreicht hiesig angepriesenes Produkt zu keinem Zeitpunkt.
Es heißt Speedway und ist eine Sportart ohne fürchterlich komplexe Regeln: Eine Bahn, vier Fahrer auf Motorrädern, gebremst wird nicht, wer trotzdem vornehmlich ohne Verletzungen zuerst das Ziel erreicht, gewinnt. In Fußball-Deutschland kein sonderlich populäres Unterfangen, andere Länder sind da wesentlich weiter, ergo entstand nun das auch mittels Crowdfunding gestemmte Projekt zur Interessenanleierung.
Nur eben derart dröge, daß bei potentiellen Fans der Zukunft sicher keine Frühlingsgefühle aufkommen. Brav werden sämtliche Regeln der Dokumentation abgeklappert: Bereits begeisterte Menschen referieren selig in die Kamera über den „Geruch von verbranntem Methanol“ und grinsen dabei, als hätten sie gerade eine ordentlich tiefe Nase des Glücksbringers geschnüffelt. Mögliche Risiken (Tod wegen Unfall beispielweise) hakt man unter Einsatz melancholischer Musik fix ab, schließlich möchte der nächste Archivaufnahmenfetzen seinen Platz finden. Und natürlich geht nichts ohne einen starken Sympathieträger, namentlich den Deutschen Meister und späteren Grand-Prix-Sieger Martin Smolinski. Bloß: Wirklich sympathisch oder konturenreich kommt der fesche Junge aus Olching eben nicht rüber. Was ergo tun? Na klar – Hang zur Arroganz schreibt das Hohelied einem „starken Charakter“ zu, eine zu früh verstorbene Mutter dient als emotionaler Zuschauer-Bindepunkt et cetera. Absolut gar nichts soll am Bild des einstigen Knaben mit einem großen Traum – selbiger fast zerstört, weil lediglich eine „billige Yamaha“ zur Verfügung stand, wie eine nebenbei getätigte Aussage uns die Schockstarre ins Gebein treibt – rütteln.
Und so geschieht es dann. Smolinski-Verehrern mag das verklärte Lächelattacken um die Bäckchen zaubern, alle anderen fragen sich indes vollkommen berechtigt, was schon wieder eine dieser Pseudo-Sport-Dokus eigentlich im Kino verloren hat.
D 2015, 75 min
FSK 6
Verleih: Wallauer Pictures
Genre: Dokumentation, Sport
Regie: Dee Dee Wallauer
Kinostart: 19.03.15
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...