D 2013, 104 min
FSK 12
Verleih: Concorde
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Darsteller: Michelle Barthel, Jannik Schümann, Maximillian Brückner, Ulrike Folkerts, Richy Müller
Regie: Gregor Schnitzler
Kinostart: 10.10.13
Die ersten Kopfstandbilder taugen gut zum Orakel, denn bald wird Adas Welt wirklich kopfstehen. Weil alles anders wird, weil sie sich ändert, weil sie sich raus aus ihrem Kokon traut, weil sie eben doch nicht länger die Unverstandene, die Außenstehende, den Freak geben will. Was auch schade ist, denn gerade das Freakige stand Ada gut, doch nun wird sie zum Charakterschwein. Das umschreibt es direkter als das etwas blumige Raunen aus dem Off, nachdem Begegnungen mit neuen Menschen einem selbst neue Töne entlocken. Die Begegnung, die Adas Leben umkrempelt, die ihre Ausnahmestellung als Musterschülerin inmitten hirnfreier Gucci-und Prada-Gläubiger kosten soll, ist die mit Alev. Etwas älter, hübsch, große Fresse, nicht blöd und dann eben das, was sich schlecht beschreiben läßt: Alev hat etwas Mephistophelisches, Magisches, gleichermaßen Anziehendes wie Abstoßendes. Auf Ada wirkt Vorletzteres, wenn auch auf Umwegen, denn als sie mal wieder Klobürste spielen muß, gemobbt von ihren Mitschülern, meint Alev nonchalant: „Du nimmst das Leben zu ernst“, worauf sie verkennt: „Dich braucht hier keiner!“
Introduktion zu einem durchweg spannenden, in jedem Fall von den jungen Nachwuchsmimen gut gespielten, vielleicht manchmal etwas zu sprüchefreudigen Stück Teenkino, was sich hinter EISKALTE ENGEL oder eben gleich den originären GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN aber nicht zu verstecken braucht, wobei SPIELTRIEB ohnehin ein Stück philosophischer erzählen will, denn sonst hätte man auch der Vorlage Juli Zehs nicht bedurft. Alev fordert Ada zum Spiel auf, das nach seinen undurchsichtigen Regeln funktioniert, das durch Stripbars führt, das in jedem Fall ein zerstörerisches ist – ein Lehrer wird sterben, ein anderer ruiniert. Interessant ist vor allem die Figur Alevs, ein bis zur Arroganz übersteuerter Kosmopolit, ein impotentes und trotzdem vor Kraft strotzendes Ekel, ein echte Nähe fürchtendes, schlagfertiges Arschloch, wie es zumindest im deutschen Kino selten zu sehen ist.
All das spielt Jannik Schümann wirklich erstklassig aus, die schönen Augen bleiben kalt, er gibt den großen Marionettenspieler, der nebenbei das Schulblondchen fingert, Ada aber an den Strippen führt. SPIELTRIEB ist der Film zur Zeit, zweifelsohne, denn solche Figuren wie die beiden Teens gebiert nur eine entartete Leistungsgesellschaft, die rücksichtloser agiert, als es jede Revierverteidigung im Tierreich zulassen würde. Es gibt Spielführer und Geführte, Meinungsmacher und Gelenkte, Starke und Schwache. Dabei – das ist das im Buch stärker ausgeführte psychologische Moment – geht es Alev zunächst, rein theoretisch, um Gutes: Ada aus ihrem Gefängnis zu befreien. Keine schlechte Idee, so generell, doch wer sich dabei schuldig macht und zur Schuld verführen läßt, ist selbst nicht frei.
Gregor Schnitzler vermag, seine Geschichte einer überbordenden Dekadenz, die Bebilderung zweier Tobsüchtiger mit zunehmender Spannung zu erzählen, und faszinierend ist, wie gut hier das Fesselnde funktioniert, ohne echte Sympathieträger auffahren zu können. Ein großer Verdienst Schnitzlers stringenter und glaubwürdiger Verfilmung ist, daß sie der Lust am Antagonistischen, dem Spiegel einer perfiden Gesellschaft, die jedes Unglück noch schnell mit dem Smartphone festhalten möchte, und den moralisch Zukurzgekommenen keine verlogene Liebesgeschichte entgegenstellt. In diesem Versuchslabor ist für Romantik kein Platz.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.