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Spring Breakers

Invasion der Barbaren

Zu Beginn wähnt man sich in einem Alptraum Danteschen Ausmaßes: Sich wild gebärdende, recht junge Menschen in einer Soundsoße billigsten Synthiepops – saufend, lärmend, sich mit Bier bespritzend. In depperter Geilheit tanzende Blondchen mit hohlen Gesichtern und Silikontitten, mit Size-Zero-Bikinis und sich an Hosenschlitze schmiegenden Wackelpos – White Trash in Reinkultur eben. Und plötzlich geht die Sonne aus, der Blick in die Gesichter und aus ihnen ist schlagartig ein anderer, Drogen machen die Runde, wir wähnen uns in einem früheren Araki-Film. Wobei da ja die meisten auch keine astreinen Wohlfühlträume waren ...

Harmony Korine gibt sich gleich von Beginn an einige Mühe, seinem Status – Enfant terrible des amerikanischen Independentkinos – gerecht zu werden, was okay geht, weil er sich gottlob nach diesem wüsten Intro doch noch für einen richtigen Film entscheidet. Der indes nicht weniger wüst ist. Brit, Candy, Cotty und Faith sind Freundinnen. Die eine schickt unmißverständliche „I Want Penis“-SMS, die andere labert dummes Zeug in der Kirchengruppe. Doch etwas eint die Mädels: Die Ferien stehen an, sie wollen Spaß. Den kann man am besten an der Küste Floridas haben, an der zu dieser Zeit ganze Hotels von – pardon – aus Schläuchen Bier konsumierendem Abschaum heimgesucht werden, in deren Pools am Ende mehr Pisse, Kotze und Booze als Chlor nachweisbar sind. Doch um Teil dieses so beliebten Frühjahrsferienrituals zu werden, bedarf es klingender Münze. Die holen sich die Girls: Mit Plastikknarren bewaffnet überfallen sie ein Restaurant. Der Beginn einer Reise, die mit Erlebnissen ausklingen darf, die man üblicherweise auf traditionellen Urlaubspostkarten ausspart: Koksziehen, Pillenwerfen, Knastaufenthalt, Gangbangs und ein saftiger Amoklauf.

Korines Mädchenbande, die er – unschwer zu erkennen – doch selbst ziemlich heiß findet, hat an sich ganz normale Sehnsüchte: Spaß haben, interessante Leute kennenlernen und rauskommen aus diesem „All Day Same.“ Diese Wünsche gehen in Erfüllung, als sie den abgefahrenen Waffennarren, Kokskasper und Drogendealer Alien kennenlernen ... SPRING BREAKERS ist ein widersprüchlicher Film über das Leben in einem widersprüchlichen Land geworden, damit ist er an sich ganz gut unterwegs. Die Mädels lügen noch nicht einmal, wenn sie ihren Eltern lammfromm ins Telefon flüstern: „We Found Ourselves Here!“ Verkommenes Volk in einem verkommenen Land? Definitiv! Und doch zu pauschal. Faith kriegt aus Angst die Kurve und nimmt den Bus nach Hause, die anderen Mädels wollen lange Zeit nur spielen, und selbst einer verkrachten Figur wie Alien, den James Franco mit einigem Mut zur Totalentstellung spielt, spürt man die Sehnsucht nach einer wie auch immer definierten Normalität nach.

Wie Korine seine Feriengeschichte schließlich zu einer über ein Massaker dreht, wie er „sein Ding“ durchzieht, und wie wenig er sich in diesem Wust aus Textschleifen, Rückblenden und Gegenschnitten um das Kino, wie wir es kennen, schert, das imponiert durchaus. Und hinterläßt Fragen beim Zuschauer. Denn daß man trotz des martialischen Hinrichtungskreuzzuges im Finale schlußendlich recht ungerührt bleibt, sagt mehr über einen selbst als über den Film aus.

Originaltitel: SPRING BREAKERS

USA 2012, 90 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch

Genre: Schräg, Komödie, Krimi

Darsteller: James Franco, Selena Gomez, Vanessa Anne Hudgens

Regie: Harmony Korine

Kinostart: 21.03.13

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.