D 2020, 81 min
FSK 12
Verleih: Salzgeber
Genre: Dokumentation
Regie: Aysun Bademsoy
Kinostart: 13.02.20
Als der NSU-Prozeß im Juli 2018 zu Ende ging, hatte die deutsche Öffentlichkeit viel über das Seelenleben der Terroristen erfahren. Die Gedanken der Hinterbliebenen und die Frage, wie es eigentlich möglich ist, daß Rechtsradikale über zehn Jahre lang mehr oder weniger unbehelligt in Deutschland unschuldige Menschen ermorden konnten, kam vor Gericht nur selten zur Sprache. Dabei hat der Terror des NSU viele Spuren hinterlassen – nicht nur bei den Hinterbliebenen.
Mit ihrem Film gibt Regisseurin Aysun Bademsoy denen das Wort, die bisher zu wenig gehört wurden. Den Müttern und Vätern, Töchtern und Söhnen, Schwestern und Brüdern der Menschen, die grundlos ermordet wurden. Sie alle mußten nicht nur den plötzlichen Tod ihrer Lieben verkraften, sondern wurden im Anschluß durch die Ermittlungen der Polizei, die sich häufig zunächst gegen die Familien selbst richteten, kriminalisiert, traumatisiert und stigmatisiert. Spuren, die schon früh in eine rechtsterroristische Richtung wiesen, wurden immer wieder übersehen: „Der NSU hat meinen Vater ermordet. Die Ermittler haben seine Ehre kaputtgemacht. Sie haben ihn damit zum zweiten Mal umgebracht!“, sagt zum Beispiel Semiya Şimşek-Demirtas, die Tochter des Blumengroßhändlers Enver Şimşeks.
Bademsoy macht sich nun mit ihrem gesprächsbasierten Film an eine andere Art der Spurensicherung. Eine, die bei den Opfern anfängt. Sie zeigt, wie Menschen noch immer mit dem Verlust ringen, aber auch, welche Wege des Umgangs und der Verarbeitung sie gefunden haben. Wenn Şimşeks Witwe davon spricht, die Präsenz ihres Mannes bei Familienfeiern immer noch ab und an zu spüren, dann wird deutlich, wie präsent der Schmerz auch nach 20 Jahren noch ist. Jeder der Hinterbliebenen hat seine eigenen Schlüsse aus der Tragödie gezogen. Manche sind wie Familie Şimşek in die Türkei gegangen, viele andere blieben hier, denn Deutschland ist – trotz allem – ihre Heimat, wie die Dortmunderin Gamze Kubaşık sagt. Ein Film wie SPUREN ist ein wichtiger Schritt, damit sich diese Heimat auch für die NSU-Opfer wieder nach Heimat anfühlt. Und für alle diejenigen, die vom rechten Terror bisher nicht direkt betroffen waren, ist es elementar, die Spuren von rechtem Haß und Gewalt direkt vor Augen geführt zu bekommen, um deutlich zu machen, daß wir alle diesem Haß energisch und entschlossen entgegentreten müssen.
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.