Originaltitel: ST. VINCENT

USA 2014, 108 min
FSK 6
Verleih: Polyband/Sony

Genre: Komödie, Poesie

Darsteller: Bill Murray, Melissa McCarthy, Naomi Watts, Terrence Howard

Regie: Theodore Melfi

Kinostart: 08.01.15

1 Bewertung

St. Vincent

Die überfällige Heiligsprechung des Bill M.

Ein Film mit Bill Murray, das ist wohl das Wesentliche. Obwohl man auch damit beginnen könnte, daß Theodore Melfi eine persönliche Erfahrung zum Ausgangspunkt seines Debütfilmes gemacht hat. Er hatte nach dem Tod seines Bruders seine 11jährige Nichte adoptiert. Als in ihrer neuen Schule über katholische Heilige gesprochen wurde, und die Hausaufgabe hieß, einen Heiligen aus dem Alltag auszuwählen und zu präsentieren, wählte sie ihren neuen Vater, was bei diesem ein hohes Maß an Rührung und offenbar die durchschlagende Filmidee auslöste.

Was muß ein Mensch erfüllen, um für einen anderen Menschen das Zeug zum Heiligen zu haben? Und kann es auch eine Person sein, die man, oberflächlich gesehen, als Menschenfeind bezeichnen würde? Sie ahnen es: Diese Person ist Bill Murray, der wieder einmal einen Scrooge-Charakter spielt, und das kann er ja auch wirklich am allerbesten. Aus Melfis Vorlage ist ein alkoholisierter, griesgrämiger Nachbar namens Vincent geworden, der bis zum Hals in der Scheiße steckt, sich beim Pferderennen verschuldet und außerdem eine russische Prostituierte (Naomi Watts in einer schön zugespitzten Nebenrolle) geschwängert hat. Durch höhere Umstände wird er zum unkonventionellen Babysitter für den neuen Nachbarsjungen, dessen alleinerziehende Mutter Überstunden im Krankenhaus schiebt.

Genug Stoff für komische Verwicklungen? Definitiv. Aber auch für Tränen der Rührung. Denn nachdem Vincent den kleinen Mann auf seine Weise fit für das Leben macht (Faustschläge auf die Nase anderer Jungs inbegriffen), schlägt das Schicksal ihm selbst heftig aufs Maul. Nun ist es an der Zeit zu begreifen, was er an seinem kleinen Begleiter gefunden hat. Also noch ein Schlag, nämlich mit dem Holzhammer. Absehbarkeit ist sicher eine Schwäche des Filmes. Der wenig glaubwürdige Charakter des Jungen aber auch – wer von Anfang an so abgeklärt ist, braucht keinen Coach.

Gravierender jedoch der Mangel an Mut. Da werden in wunderbar ausgespielten Szenen der spitzfindige Sarkasmus und unbeugsame Pragmatismus einer im Herzen traurigen Figur aufgebaut, um dieser dann doch vorsichtshalber wahre Gründe für das Heldentum zuzuschieben: eine demente Frau, die er im teuersten aller Heime untergebracht hat, und Orden aus Vietnam. Hätte die Freundschaft mit dem Jungen nicht gereicht, um ihn zu erhöhen? Immerhin bleibt es ein Film mit Bill Murray, und das ist ja doch das Wesentliche.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...