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Starbuck

Anrührende Komödie über den etwas anderen Nachwuchs

Zeitschriften, Kleenex, Becher – „Alles, was sie brauchen!“ So einfach, so gut! Auftakt zu einem warmherzigen Film, einer Geschichte, die so absurd scheint, als müsse sie aus dem Wahnsinn stammen, der das Leben bedeutet. Die beherzten Worte der Dame zu Beginn des Films gestalten eine Rückblende, in der wir den um 20 Jahre jüngeren David in einer für ihn geradezu symptomatischen Situation erleben: Akute Klammheit in der Geldbörse, deswegen spendet der Knabe seinen Samen. Die Zeiten ändern sich, aber sie werden nicht zwangsläufig besser, denn zwei Dekaden später ist David ein Mann in den besten Jahren zwar, aber noch immer stürzen Mahnungen aus dem Briefkasten, die weiterhin recht unorthodoxen Methoden der Geldbeschaffung (zum Beispiel durch Hanfanbau) holen ihm die Mafia an den Hals, und seine jüdische Familie, die sich mühsam mit dem Verkauf koscheren Fleisches über Wasser hält, hat für die generelle Unzuverlässigkeit des Freizeitkickers kaum noch Verständnis. „Wie gut, daß Du keine Kinder hast!“, sagt ihm ein Freund: „Die sind wie schwarze Löcher, sie saugen einen aus, das Geld, die Zeit, die Energie!“ Zu dem Zeitpunkt weiß David noch nicht, daß seine Freundin Valérie schwanger ist, und auch nicht, daß es mindestens 140 Halbwüchsige gibt, die gern ihren Erzeuger kennenlernen wollen. Dessen Name ist kryptisch verpackt unter „Starbuck.“ Mit diesem Code wähnte sich ein gewisser Samenspender unter dem Schutzschild der Anonymität. Damals vor 20 Jahren ...

Es ist ein beachtlicher Spagat, den der Regisseur Ken Scott hier wagt, und der ihm glückt, denn wie schnell bekommen solche Kindersegen-Fabeln etwas verstaubt Reaktionäres, hier aber ist das anders: Es ist eine Mordsgaudi zuzuschauen, wenn David sich der plötzlich auftuenden Meute auf komisch-hilflosen Wegen und mit merkwürdigen Tricks nähert, sie aufmuntert, ihnen zuhört und manchmal Schutzengel spielt, ohne sich erkennen zu geben. Aber es rührt auch an, weil die Samenbank-Sprößlinge nicht grad kleine Königskinder sind. An ihren bisherigen Lebenswegen spiegelt sich die Gesellschaft: Mancher ist klug, ein anderer freaky, der eine neigt zur Selbstverstümmelung, die andere zu Drogen, die eine studiert, und ein anderer sitzt im Rollstuhl. Jetzt kann David sich beweisen, doch wie erklärt er seiner nicht eben mit Spott geizenden Familie und der ohnehin überforderten Valérie, daß sich hinter dem in der Presse verschwörerisch gehandelten „Starbuck“ genau er verbirgt?

STARBUCK hat sein Herz an der richtigen Stelle, er drückt genau die richtigen Knöpfe und bleibt in seinem Mix aus schrägem Witz und großem Gefühl doch immer ehrlich, niemals manipulativ. Daß manch’ Anschluß etwas holprig geriet, einzelne Ideen etwas oberflächlich versanden, sei dem Regiesekundanten nachgesehen, tut dies dem Film aber keinen Abbruch, weil er ganz wunderbar das alte Märchen weiterspinnt, daß der Mensch mit seinen Aufgaben wächst. Und weil er der pauschalen Glitzermär, daß jedes Kind seinen Vater braucht, trotzdem nicht auf den Kitschleim geht.

Ken Scott erzählt in den Zwischenzeilen auch davon, daß manches Kind seinen Vater nicht kennt, was dann bisweilen auch besser so ist. Es gilt kein Anspruch auf verwandtschaftlich verordnete Liebe, auch davon erzählt STARBUCK und erinnert daran, daß es gottlob noch Menschen gibt, die in einer rastlosen Zeit sich eben jene nehmen – für andere. Und warum nicht auf Umwegen ...

Originaltitel: STARBUCK

Kanada 2011, 109 min
FSK 12
Verleih: Ascot

Genre: Komödie

Darsteller: Patrick Huard, Julie LeBreton

Regie: Ken Scott

Kinostart: 16.08.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.