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Station Agent

Die glorreiche Eroberung von 130 cm

Finbar McBride zog aus, um seine Ruhe zu haben, besonders vor neugierigen Blicken. Denn der Mann mit dem stolzen Piratennamen ist kleinwüchsig. Sein einziger Freund, mit dem er die Liebe zur Eisenbahn teilte, fiel einfach tot um. Ein verlassenes Bahnwärterhäuschen ist Fins Erbe, Newfoundland in New Jersey das neue Zuhause.

Während er sich auf dem ersehnten stillgelegten Gleis wähnt, macht sich Regisseur und Autor Tom McCarthy in seinem ersten Spielfilm daran, dem 1,30 m und ein paar Zerquetschte großen Neopionier Einsamkeit und Verbitterung mit einem gewitzten Aufmarsch von Ruhestörern gründlich auszutreiben.

Direkt vor Fins abgeblätterter Bahnstation hat sich der erste Angreifer auf sein verschlossenes Gemüt postiert: Joe, ein quasselnder kubanischer Imbißbetreiber in Badelatschen und mit kindlicher Neugier, ist einfach nicht mehr abzuwimmeln. Auf der Landstraße das nächste Attentat: Olivia. Gleich zweimal fährt die unglückliche und zerstreute Malerin Fin fast über den Haufen und belästigt ihn mit Entschuldigungen. Nur widerwillig nimmt der Zugereiste die Freundschaftsanträge entgegen, duldet stoisch, daß er seinem größten Vergnügen nicht mehr allein nachgehen kann: Von nun an werden die Gleise im Gänsemarsch abgeschritten.

Unerbittlich erobert McCarthy diesen störrischen Einzelgänger, sanft und dezent verführt er sein Publikum. Er arbeitet mit lakonischem Witz und tragischen Tiefen. Er flirtet mit umwerfenden Figuren, wie der ungehobelten Ladenbesitzerin, die den fremden Zwerg mit dem Photoapparat abschießt, dem trödelnden Mädchen, das erst mit der Grazie eines übergewichtigen Rehs vor Fin flüchtet und ihm dann nicht mehr von der Seite weicht.

Auch hinter der Kamera ein Don Juan. Oliver Bokelberg spielt in seinen Bildern mit Größenverhältnissen und schafft hellsichtige, pointierte Perspektiven, die nicht den Kleinwüchsigen klein, sondern die Umgebung merkwürdig monströs aussehen lassen.

Hier blickt man nicht mitleidig zu Boden, sondern hinter sorgsam gemauerte Schutzwälle. Vor allem das macht diesen Film um die Teilbarkeit von Leid und Joints, um einen kleinen Amerikaner, der per Eisenbahn wieder eine neue Welt besiedelt, zu einer großen Komödie.

Originaltitel: THE STATION AGENT

USA 2003, 88 min
Verleih: Prokino

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Peter Dinklage, Patricia Clarkson, Bobby Cannavale

Stab:
Regie: Tom McCarthy
Drehbuch: Tom McCarthy
Kamera: Oliver Bokelberg

Kinostart: 10.06.04

[ Sylvia Görke ]