Originaltitel: JIMMIE
S 2018, 91 min
FSK 12
Verleih: Cine Global
Genre: Drama
Darsteller: Jesper Ganslandt, Hunter Ganslandt
Regie: Jesper Ganslandt
Kinostart: 07.03.19
Seit 2015 sind Flucht und Migration das dominierende Thema in Europa. Die Bilder von Menschen in wackligen, überladenen Booten oder in elenden Lagern sind zu einer Art mediales Hintergrundrauschen unseres Alltags geworden. Der Regisseur Jesper Ganslandt versucht, unsere Gleichgültigkeit aufzubrechen, indem er einen radikalen Perspektivwechsel vornimmt.In Schweden ist aus irgendeinem Grund ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen, auch der 4jährige Jimmie und sein Vater schließen sich dem Flüchtlingstreck gen Süden an. Doch willkommen sind die Fliehenden nirgends. Sie werden zurückgeschickt, schikaniert, gejagt. Zwischenzeitlich werden Vater und Sohn getrennt, eine andere Familie nimmt sich des Jungen an. Am Ende wartet eine letzte große Überfahrt auf sie. Auf der anderen Seite des Meeres soll endlich alles wieder gut werden, verspricht der Vater seinem Jungen.
Diese dramatische Fluchtgeschichte erzählt der Film in sehr unmittelbaren, fragmentarischen Szenen und mit vielen Zeitsprüngen. Sowohl auf der Handlungs- als auch auf der Bild-ebene nimmt er dabei die Perspektive des Kindes ein. Es gibt kaum Totalen, stattdessen werden meist nur Ausschnitte des Geschehens gezeigt. Auch fehlt jegliche Einordnung der Ereignisse. In diesem oft bedrohlich wirkenden Verwirrspiel stechen einige sehr intensive Momente heraus, die unter die Haut gehen, etwa wenn Vater und Sohn vor der Grenzpolizei durch einen Wald fliehen. Die emotionale und körperliche Tour de force der Flucht wird dann spürbar. Konterkariert werden diese Eindrücke durch die erstaunliche Gelassenheit und Freundlichkeit, welche sich die erwachsenen Flüchtlinge stets bewahren. Angesichts ihrer dramatischen Lebensumstände wirkt das sehr aufgesetzt.
Schwerer wiegt jedoch, daß der grundlegende Ansatz des Filmes durchaus fragwürdig ist: Brauchen wir wirklich hellhäutige, blonde Menschen, um uns mit dem Schicksal von Flüchtenden zu identifizieren? Oder ermöglicht es nicht gerade die offensichtlich konstruierte Prämisse der Handlung, sie ins Reich des Imaginären und damit von uns wegzuschieben? Im deutschen Titel des im Original schlicht JIMMIE benannten Films kommt jedenfalls dieser gewisse pädagogische Impetus durch, der schon vorab vom Publikum die „richtige“ Haltung einfordert. Aber wie Kinder im wirklichen Leben lassen sich auch die Kinozuschauer kaum durch solcherart Maßnahmen erziehen.
[ Dörthe Gromes ]