D 2013, 95 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch

Genre: Mystery, Thriller, Schräg

Darsteller: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich

Regie: Maximilian Erlenwein

Kinostart: 15.05.14

22 Bewertungen

Stereo

Böses Genre-Schmankerl Made In Germany

Man müßte jetzt eigentlich erst mal wieder auf die Kanzel steigen und wettern. Wegen des deutschen Genrekinos, das nur ein Dasein in Form spießiger Lustigkeiten führt und darüber hinaus nicht existent ist. Und man bräuchte als Beweis nur all diese heimischen Instant-Imitate jüngerer Vergangenheit aufführen, die sich an Thriller-Versuchen abarbeiteten, gleich inspirationslosen Einser-Schülern, die Standard-Rezepte aus Übersee nachkochen und es dann aufs Publikum schieben, wenn niemand diese Brühe schlucken will.

Aber wir lassen das jetzt einfach mal und blicken stattdessen auf STEREO. Maximilian Erlenwein hat den Film gedreht. Und Halleluja! Das Wunder geschah: STEREO entpuppt sich als gekonnt heftig-deftiges Thriller-Stück. Das beginnt im ländlichen Idyll Brandenburgs. Hierhin hat sich Erik zurückgezogen. Weg aus Berlin und einem Leben, von dessen Art die Tätowierungen auf Erik etwas ahnen lassen. Ganz klar: Da versucht einer den Neuanfang. Und das mit Erfolg. Eriks Motorradwerkstatt läuft so gut wie die Beziehung zur hübschen Julia. Daß die schon ein kleines Töchterchen hat, ist nicht schlimm. Im Gegenteil: Das Familiending scheint Erik zu liegen. Also alles bestens. Selbst der Umstand, daß Julias Vater ein Polizist ist, der den Neuen der Tochter beargwöhnt, kann die Stimmung nicht trüben. Doch dann erscheint, wie aus dem Blau des heiteren Himmels, dieser räudige Typ. Henry heißt der, sucht penetrant die Nähe zu Erik und ist dabei allein schon im Vokabular so brutal und schmierig, daß er wirkt wie die verführerische Schlange im Kleinparadies. Und in der Tat scheint Henry ein Teufel, ein Dämon. Denn niemand außer Erik kann ihn sehen und hören.

Aus welchen Seelenschlünden nun dieser Quälgeist stammt, und wie der dann Erik aus dem Paradies vertreibt, direkt zurück in jene Hölle, aus der er floh, davon erzählt STEREO. Ein Film, der als Mystery-Thriller beginnt und dann frohgemut und mit Chuzpe in den knochenharten Noir-Gangster-Plot wechselt. Und es macht verdammten Spaß, das zu sehen. Und ja: Natürlich plündert auch Erlenwein einschlägig Rezepte, aber allein schon, wo er plündert, spricht absolut für ihn. Nämlich nicht im Standard-Fast-Food-Mainstream, sondern bei echten Könnern.

Konkret benennen kann man hier getrost die beiden großen Davids des Abgründigen. Lynch und Cronenberg nämlich; des letzteren A HISTORY OF VIOLENCE ist in STEREO nicht nur im Erzählfundament (der scheinbar Unbescholtene auf dem Land, eingeholt von der gewalttätigen Großstadt-Vergangenheit), sondern auch im grellblutigen Finale wiedererkennbar. Wohlgemerkt: Erlenwein gerät das nicht zum Instant-Imitat, sondern zur Referenz. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der gehörig mithilft, diesen Film aus der Standardmasse herauszuheben.

Was auch durchweg für die Darsteller gilt: Jürgen Vogel (Erik) und Moritz Bleibtreu (Henry) bereiten ein diabolisches Vergnügen. Auch dann, wenn manche Szene sich etwas im Quasseln verliert. Allerdings: Die große Show gehört Georg Friedrich als superfieser Gangsterboß. Ein psychopathischer Österreicher in Berlin – okay, strapazieren wir das jetzt nicht über, aber dieser Teufelstanz am Rand zur Groteske ist ein hinreißend böser Spaß. Und im Grunde ist das auch – bei aller Dramatik – Erlenweins Film.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.