Noch keine Bewertung

Still The Water

Poetisch, philosophisch – japanisch

Wie oft schon wurde im Kino „Ich liebe Dich“ gesagt? Es ist einer der mutigsten, kitschigsten, bezauberndsten, peinlichsten, anrührendsten, einer der Leinwandmomente schlechthin. Je nachdem … In STILL THE WATER sind es zwei 16jährige, denen das mit der Liebe passiert und ausgesprochen wird. Als sich Kyoko, die Mutige, traut, sagt Kaito, der Schüchterne, einfach „Danke.“ Und das Kino ist um einen dieser Satz der Sätze reicher.

STILL THE WATER macht auch als Zweistunden-Drama reicher. Durch magische Bilder von Natur und Menschen, den Zyklus ihrer An- und die Lücke ihrer Abwesenheit. Durch Alte und Junge, Wind und Meer, Trauer und Fall, Licht und Spiel. Alles scheint direkter zu sein dort auf Japans Pazifikinsel Amami-Oshima, unmittelbarer, ohne Ausreden. Kyokos Mutter wird sterben, nicht irgendwann, sondern bald. Daß sie die Schamanin des Dorfes ist, macht den Abschied nicht leichter. Kaito kennt die Trennung ohne Tod. Seine Mutter packt ihr Leben am seidenen Faden, während der Vater nun in Tokio Tattoos sticht. „Ich verstehe die Frauen nicht“, wird Kaito in der Verzweiflung seines emotionalen Durcheinanders rufen. Er mißtraut der Liebe. Es ist so, als wöge sie doppelt, wenn er mit Kyoko auf dem Fahrrad fährt und sie den Kopf auf seinen legt. Daß sie stürzen werden, hat er kommen sehen. „Tut Dir etwas weh?“, fragt er danach. „Ja, das Herz!“, antwortet sie. Es ist auch so ein Moment!

Der asiatische Film wird richtig stark, wenn er asiatisch ist und nicht ums Gesehen-Werden buhlt. Daß es gerade das japanische Kino – trotz der alldonnerstäglichen Masse an Arthouse-Bundesstarts – schwer hat bei uns, liegt am fehlenden Mut der Verleiher und ihrem Mißtrauen, an der Kasse zumindest ins Plus-Minus-Null zu kommen. Nicht nur die Tatsache, daß STILL THE WATER von einer Regisseurin ist, steigert also die Neugier. Naomi Kawase arbeitet stringent mit Allegorien und dem Setzkasten der Cinematographie. Sie vernachlässigt ihre Figuren in keiner Minute, überfrachtet ihre Optik nicht und nicht die Sprache. Ihr Griff in die Volkskunst ist nicht pittoresk, sondern poetisch, philosophisch – japanisch.

Und wenn es am Ende ein neues Liebespaar gibt, das sich nackt im Wald begehrt und im Ozean schwimmt, geht auch das ein in die lange Reihe mit den mutigsten, kitschigsten, bezauberndsten, peinlichsten, anrührendsten, den Leinwandmomenten schlechthin.

Originaltitel: FUTATSUME NO MADO

J 2014, 120 min
FSK 6
Verleih: Film Kino Text

Genre: Drama

Darsteller: Nijiro Murakami, Jun Yoshinaga, Miyuki Matsuda, Tetta Sugimoto

Regie: Naomi Kawase

Kinostart: 10.09.15

[ Andreas Körner ]