Ob nun Volker Schlöndorff seine zeitpolitischen Stoffe findet oder sie ihn - in jedem Fall gab es schon mehrere Begegnungen dieser Art. DIE STILLE NACH DEM SCHUSS, eine der geglücktesten, fand an der deutsch-deutschen Nahtstelle des Kalten Krieges statt. Jetzt geht es weiter ostwärts zur Danziger Lenin-Werft, die rückblickend als der Ort gilt, an dem die Nähte aufzureißen begannen.
Angefangen in den 60er Jahren, wird ein prekärer werdender Werksalltag geschildert, der zunächst nicht Helden sondern resignierte Malocher hervorbringt. Zur Beruhigung der Gemüter gibt es einmal im Jahr Präsentkörbe. Für Agnieszka, die kleingewachsene Mutterriesin dieser Ballade, wie Schlöndorff seinen Film nennt, spendiert die Werksleitung sogar eines der begehrten Fernsehgeräte. Die alleinerziehende Schweißerin schuftet sich zur Kranführerin hoch, erlebt eine viel zu kurze Liebe mit dem Betriebskapellenmusiker Kazimierz, sagt immer deutlicher, was sie denkt, und wird den Genossen unbequem. Als man sie schließlich auf die Straße setzen will, wird Agnieszka zum Zankapfel zwischen starrem System und bewegter Arbeiterschaft.
Wie korrekt Schlöndorff nun die Geschichte seiner Heldin, die im wahren Leben Anna Walentynowicz heißt, und die Gewerkschaftwerdung einer Solidaritätsbekundung wiedergibt, mögen jene beurteilen, die dabei waren. Wichtiger für eine Filmgeschichte ist, daß sie sich richtig anfühlt. Das aber tut sie leider nicht. Zu glatt wird die David-gegen-Goliath-Konstellation durchbuchstabiert und durchemotionalisiert. Kaum eine Reibungsfläche bleibt für Bauch und Hirn, zu wenig Platz zum Denken zwischen all dem kalten Stahl und dem einen glühenden Herzen.
Schlöndorff weiß um die Sympathien, die kleinen Leuten mit großem Mut unwillkürlich entgegen schlagen. Doch er macht es sich zu einfach, das Erzählen von einer einfachen Frau. Und Katharina Thalbach, der man sicher das Zupackende ihrer Figur und noch sicherer die freie, große Klappe glaubt, hat doch Mühe mit Agnieszkas ausgestellter Schlichtheit. Kein Augenrollen, keine Überzeichnung will helfen. Sie bleibt gefangen in einem Genrebild von Mutter und Schrauben.
D/Polen 2006, 104 min
Verleih: Progress
Genre: Drama, Historie
Darsteller: Katharina Thalbach, Andrzej Chyra, Dominique Horwitz, Andrzej Grabowski, Dariusz Kowalski
Stab:
Regie: Volker Schlöndorff
Musik: Jean Michel Jarre
Kinostart: 15.03.07
[ Sylvia Görke ]