Ein kleiner Junge tritt einen Ball immer wieder so hart gegen die Wand, daß der Putz abbröckelt. Wir sind in den Favelas von Rio de Janeiro, der Junge heißt Tiago und mußte vor kurzer Zeit mit ansehen, wie sein Vater bei einem Fußballspiel erstochen wurde. Was ihn allerdings nicht davon abhält, als Kicker Karriere machen zu wollen, um so den Slums zu entfliehen.
Bereits diese Eingangssequenz macht die Ambivalenz eines Filmes deutlich, welcher sich niemals wirklich entscheiden kann, ob er denn nun sülziges "Folge Deinem Traum"-Gelaber propagieren oder doch knallhartes Sozialdrama sein möchte. Zwar gibt sich STREETS OF RIO von Beginn an alle Mühe, mit Tiagos todkranker Mutter, brutal zusammengetretenen Kindern, innerfamiliären Streitigkeiten um Ausbildung und Zukunft das Bild ausweglosen Elends zu zeichnen. Doch dann dringen eben wieder hippe Rhythmen ans Ohr, vergnügen sich die Protagonisten fröhlich flirtend am Strand oder dominieren zu hübsche visuelle Spielereien.
Derartige Zwiespältigkeit herrscht allerorten. So wurden beispielsweise die Laiendarsteller vermutlich nach ihrer Optik gecastet: muskelbepackte Adonisse mit Waschbrettbäuchen, selbige gern oben ohne präsentierend. Der lokale Drogenboss: grundsätzlich natürlich ein mieser Finsterling und ohne Skrupel bereit, den Chef seiner Schwester töten zu lassen, weil dieser sie unsittlich berührte. Tiago gegenüber aber ist er Moralapostel und Lehrmeister, der das mittlerweile zum Mann gereifte Nachwuchstalent nicht in seine Gang aufnehmen will, sondern ihn vielmehr im Glauben an dessen Lebenstraum bestärkt, sogar als Preis für seine Unterstützung einfordert, daß Tiago niemals kriminell wird und immer fleißig trainiert. Wie bitte?!
Sozusagen im Sinne eines dramatischen Ausgleichs reißt der Plot zwar irgendwann dieses seltsam edelmütige Ruder konsequent herum, macht Tiago selbst zum Mörder wider Willen, und bis zum Ende werden auch noch einige Menschen sterben. Ein abschließender Chor untermauert dann noch mal eine Aussage, welche der Kopf schon längst verstanden hat. Gefühlsmäßig bleibt man aber trotzdem auf Distanz, von dem Gesehenen erschreckend unberührt.
Originaltitel: SHOWDEBOLA
D 2005, 97 min
Verleih: Falcom
Genre: Drama
Darsteller: Thiago Martins, Luis Otávio Fernandes, Lui Mendes, Naima Santos, Gabriel Mattar
Regie: Alexander Pickl
Kinostart: 31.01.08
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...