Originaltitel: STRONGER

USA 2017, 119 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama

Darsteller: Jake Gyllenhaal, Tatiana Maslany, Miranda Richardson

Regie: David Gordon Green

Kinostart: 19.04.18

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Stronger

... und Puste weg

Im Vorwurf an die US-Amerikaner, sie würden es mit dem Patriotismus übertreiben, liegt stets ein wenig Neid. Darauf, daß sie es scheinbar uneingeschränkt dürfen, und darauf, daß sie es garantiert uneingeschränkt tun. Dabei ist egal, ob es sich um Kriege, Naturkatastrophen, Unfälle oder Attentate dreht. Egal auch, ob sie es selbst angezettelt haben oder darin verwickelt sind.

Zum 2013er Terroranschlag auf den Boston Marathon waren drei Kinofilme geplant. Es wurden „nur“ zwei: BOSTON von Peter Berg und STRONGER von David Gordon Green. Sie sollten sich nicht in die Quere kommen, sondern ergänzen, weshalb der eine vom anderen wußte. Ersterer befaßte sich als Actionthriller mit der akribischen Aufklärung des Falles, Letzterer geht ins Private und ist unverstecktes Melodram.

„Boston Strong“ hieß es nach den Explosionen. In Jeff Bauman wurden Hoffnung und Kraft für eine ganze Stadt personifiziert. Dabei ist der 27jährige beim weltweit ältesten Marathon gar nicht mitgelaufen, stand nur unweit der Ziellinie, um seine Ex-Freundin Erin mit einem selbstgemalten Plakat zu beeindrucken. Jeff hat diese Geste mit dem Verlust großer Teile seiner Beine bezahlt. Zum Helden wurde er, weil er einen der später gefaßten Täter beschreiben konnte und aus seiner Reha eine öffentliche Sache machte. Bauman schrieb auch ein Buch und verkaufte die Filmrechte.

BOSTON also war akribische Ermittlerblende, STRONGER erzählt von persönlichen Kämpfen, von Frust und Suff, Liebe und Last, Lebensmut und Lebenswut. Und immer soll er authentisch sein. Leider erliegt er viel zu früh einer Tücke. Denn gerade auf der familiären Ebene passieren hier die interessantesten und filmisch reizvollsten Dinge. Nichts gegen das Auf und Ab in Jeffs und Erins Beziehung, überraschungsfrei auch das Her- und Aufgeben fürs große Ziel, wieder laufen zu können. Richtig heikel aber wird es mit Baumans Sippe. Wie ihn Mutter, Vater, Onkels und Kumpels bedrängen, Dinge zu tun und Worte zu sagen, die zunächst nur selten mit Jeffs Gemütslage zu tun haben. Wie sie alle sich selbst im Lichte dieser Tragödie besehen und nach außen darstellen, gibt STRONGER eine Stunde lang eine höchst interessante Note. Plötzlich aber verklingt sie – und der Film verliert seinen Atem hin zum spannungsarmen Gleichklang mit anderen, denen Patriotismus über alles geht. Ist der Ausruf „Schade!“ jetzt schon Phrase?

[ Andreas Körner ]