Originaltitel: SWEENEY TODD
USA 2007, 119 min
Verleih: Warner
Genre: Drama, Musik, Schräg
Darsteller: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Alan Rickman, Sacha Baron Cohen, Timothy Spall, Jamie Campbell Bower
Regie: Tim Burton
Kinostart: 21.02.08
Vernehmt, Musical-Degoutanten dieser Stadt, Brüder und Schwestern im Geiste ... Ja, Tim Burtons nunmehr sechste Kollaboration mit dem Ausnahmemimen Johnny Depp ist die Verfilmung eines Musicals. Und nein, nein, nein die Melodien sind trotzdem und gerade für empfindliche Ohren nicht unerträglich, vielmehr interessant mäandernd, manchmal sperrig, immer aber das Fiese, das Böse und vor allem das Leidenschaftliche dieser blutigen Metzelei wunderbar unterstreichend. Und selbst der Gesang kommt dem Johnny erfreulich ungepreßt aus der Kehle. So viel also vorab zur Entwarnung ...
Es ist in der Tat keine schöne Ecke, diese Fleet-Street im feucht-muffigen London des 19. Jahrhundert, ein übelriechender Tummelplatz der Gauner, Gammler und Ganoven. Doch genau hier läßt sich ein Klingen schwingender Barbier nieder, mit großer Trauer und noch viel mehr Wut im Bauch. Hatte man Benjamin Barker vor 15 Jahren doch Weib und Freiheit entrissen, ein kindfraugeiler Richter, ein gewisser Turpin, verbannte ihn aus Gründen der schnöden Niedertracht ans Ende der Welt, um sich dessen junger Frau auf ganz perverse Weise anzunehmen. Nun kehrt Barker unter neuem Namen - Sweeney Todd - zurück, und findet Beistand in der blassen Schönheit Mrs. Lovett, die in besagter Straße ein recht ranziges Pastetengeschäft betreibt. Doch Todd ist nicht hier um Meat Pies zu speisen, eher wird er in Kürze und enormer Fülle für die Grundlage dieser sich plötzlich als Gaumenfreude bei den Londonern herausstellenden Fleischmahlzeit sorgen - Todd beginnt einen Rachefeldzug, wie ihn die unzähligen Ratten dieser Stadt noch nicht gesehen haben. Vorsicht ist geboten: wer Blut partout, selbst in grellüberhöhter Farblichkeit nicht ertragen kann, sollte den Film meiden. Denn wenn Todd die Klinge zur Rasur schwingt, war eigentlich schon der aufgetragene Schaum für die Katz. Eine Kehle nach der anderen landet mitsamt dem erbärmlichen körperlichen Rest der Sodahingemeuchelten im Keller der Backstube, das lodernde Feuer im Ofen kommt nie zur ruhenden Glut. Friede wird der Getriebene, dieser Barbier mit den wohl traurigsten Augen dieser Welt, erst finden, wenn er dem Perversen Turpin die Gefäße schlitzen darf ...
Es ist ein galliges Vergnügen, diese brillant ausgestattete Moritat über eine Rache, ausgeübt von einem Mann, der zur wohl leidenschaftlichsten aller Lieben fähig war, es ist ein grenzmorbider Spaß, diesem Triumvirat moderner Gothics - Depp, Burton und die viel zu selten im Kino zu bestaunende Helena Bonham Carter - in ein Blutbad zu folgen, das wohl ohnegleichen bleibt. SWEENEY TODD ist ohnehin vieles - auch wunderbare optische Reminiszenz an Burtons eigene Vorgänger EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN und SLEEPY HOLLOW, vor allem aber ein filmisches Gemälde mit blaugrauem Pinselstrich und süßlichem Patchouliduft, ein Sittenbild über das prinzipiell Verkommene in der menschlichen Einfachheit, eine kühne Träumerei mit fies aufblitzendem Witz und unerschöpflichem visuellen Einfallsreichtum.
Dafür stehen gerade die Szenen, in denen sich die schöne Mrs. Lovett an den Strand, auf alabasterfarbene Seebrücken, in grünrauschende Parkanlagen, in einen Hort der Geborgenheit träumt - der introvertierte Todd stets zur Seite. Diese Träumereien zerplatzen spätestens dann, wenn das Fegefeuer Mrs. Lovetts Füße kitzelt. Johnny Depp geht in dieser so typischen Burtonschen Figur mit allem Stoizismus, mit allem tief brodelnden Haß und mit jedweder blutigen Entschlossenheit auf, und selbst der Anflug eines kurzen Lächelns läßt einem die Nackenhaare aufsteigen. Nein, das ist sicherlich kein Film für die Kleinen, die Zarten, die Zweifelnden - trotz jeder Menge Singsang.
Es ist eine hochgradig amoralische Ballade über einen Hai im Blutrausch, der erst Ruhe finden wird, wenn er im eigenen roten Elixier ertrinkt. Und es ist ein weiteres Manifest dessen, was längst klar und was beileibe heutzutage amerikanischen Filmemachern nur noch selten zu attestieren ist: Tim Burton hat Stil.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.