Das urbane Japan im Jahre des Herrn 2026 ist angefixt. Denn ein neues Spielgerät – Verzeihung! Gaming Device! – ist auf dem Markt. Es handelt sich selbstredend nicht um einen Gummiball mit exzeptionellen Hüpfeigenschaften oder einen Ausnahme-Brummkreisel, der kommenden Generationen von ungewaschenen Gören ihre Zeit vertrödeln hülfe. Das „Augma“ empfiehlt sich vielmehr als eine Art Hör-, Fühl- und Sehhilfe für die „Augmented Reality“, also eine angereicherte Wirklichkeit. Freilich verzichtet die Neuerfindung völlig auf die spätestens seit dem Vorgängermodell etablierte „Full-Dive“-Erfahrung. Was auch immer das ist: schade drum!
Trotzdem verzehrt sich die Nation nach dem auf der Plattform offerierten Sensationsrollenspiel „Ordinal Scale“ und verabredet sich nachts auf Straßen und Plätzen, um reanimierte Monster aus der Online-Game-Historie zu bekämpfen. Levels sind zu erreichen, Rangpunkte zu gewinnen – aber im schlimmsten Fall werden auch alle Erinnerungen gelöscht. Nur der schmalbrüstige und einschlägig erfahrene Schwertkämpfer Kirito zweifelt an Gerät und Inhalt der Spielidee. Denn er findet heraus, daß der fehlende Logout zum Plan gehört. Und daß der formwandlerische, mal totenblasse, mal singende Mädchengeist, der ihm mehrfach unvermittelt begegnet, der Schlüssel zur tragischen Lösung ist.
Wie war das im Mittelteil? Von Übersee, in diesem Falle zur rechten Hand, flattert ein popkulturelles Phänomen in lokale Lichtspielhäuser, das man – je nach Alter und Sozialisation – tief hassen oder heiß lieben kann. Denn dieses Anime-Spin-Off einer der meistverkauften Light-Novel-Serien steht stellvertretend für ein einträgliches Franchise-Konzept, das wohl nur für die (riesige!) Fangemeinde aufgeht. Ein und dasselbe Histörchen wird DIN-A6-Literatur, Heimkino-Veröffentlichung oder eben gezeichnetes Leinwandabenteuer, hier in epischer Länge, mit allen erzählerischen Uferlosigkeiten samt aufploppender Items und Richtungspfeile. Ausdrücklich richtet sich die Mischung aus Schwertkampf, Elfen, züchtiger Romantik, kindlichen Charakteren, technoidem Jargon, Dystopie und süßlicher Musik (die sich wiederum extra vermarkten läßt) an Eingeweihte. Und die sitzen dann halt beim Händchenhalten lieber unter Meteoritenschauern als im Sonnenuntergang. Trotzdem den Schirm nicht vergessen!
Originaltitel: GEKIJOUBAN SÔDO ÂTO ONRAIN: ÔDINARU SUKÊRU
J 2017, 111 min
FSK 12
Verleih: Peppermint
Genre: Animation, Fantasy, Drama
Regie: Tomohiko Ito
Kinostart: 06.04.17
[ Sylvia Görke ]