In den Rollen: Drei Männer, die um eine Frau kämpfen, ein begnadet schöner Sohn, der seine Mutter haßt, liebt, umbringen und retten will, eine Kompanie wilder Männer und eine Frau, die auf nichts festzulegen ist. Denn Alice ist die Liebe. Sie ist launisch, sich selbst verschwendend, mit jeder Faser ihres Körpers schön, zerstörerisch und chaotisch. Und sie hat viele Männer berührt und verführt, denn für viele gibt es Platz in ihrem Herzen.
So ist auch JC, Wärter in einem Männerknast, ihr verfallen. Genau in dem Moment, als Alice in seinem Tanzkurs auftauchte, passierte es. Ein paar Schritte, und die körperliche Sensation war perfekt. Tangostunden und ein Goldfisch waren bis dahin die einzigen Extravaganzen gewesen, die sich JC in seinem Leben gegönnt hatte. Alice bringt ihm allerdings mehr Abwechslung, als ihm lieb ist, denn auch zwei seiner Gefängnisinsassen sind mit ihr verbunden. Im Besucherraum sieht er sie zunächst mit dem cholerischen Fernand flirten, der, wie sich bald zeigt, ihr Ehemann ist. Doch am nächsten Besuchstag wechselt sie in der „Halbzeit“ an den Tisch von Dominic, einem stillen Glatzkopf. Fernand erkennt sehr bald, daß es der Tango ist, mit dem er Alice am besten umwerben kann, will er JC ausstechen.
Es gibt den Einen hinter Gittern, den sie nur „den Argentinier“ nennen, und mit dem sich keiner zu reden traut. Den bittet er um Hilfe. Der Argentinier wiederum erkennt das Potential des Aufruhrs, der im Milonga steckt, einer lebendigeren und leidenschaftlicheren Form des Tangos, und plötzlich beginnt der Knast zu beben. Und da steht auch noch die Schuld im Raum, die Fernand und Dominic und all die anderen auf sich geladen haben. JC hingegen, der Beobachter, muß plötzlich aus seiner Komfortzone heraus.
Frédéric Fonteyne, der zusammen mit Anne Paulicevich, die auch so wunderbar leicht die Alice verkörpert, das Drehbuch geschrieben hat, nutzt den Tanz, um „ ... die Schönheit der Unbeholfenheit seiner Figuren“ zu zeigen. Damit ist ihm ein kleiner Geniestreich geglückt, denn die geballte Energie des Tangos kann man wohl nirgends besser inszenieren als in einem Männerknast. Die unterdrückte Aggression und Sehnsucht nach Freiheit verschmelzen zu einer Kraft, die sich in den sicher schönsten Szenen dieses Filmes entlädt. Wenn man den Männern zusieht, ihren Bewegungen, wie sie sich gegenseitig umkreisen, halten und abstoßen, spürt man, daß alles Sinn macht, ein Ganzes ergibt. In diesem Film und in der Liebe.
Originaltitel: TANGO LIBRE
Belgien/Luxemburg/F 2012, 98 min
FSK 12
Verleih: Movienet
Genre: Drama, Liebe, Musik
Darsteller: François Damiens, Sergi López, Jan Hammenecker, Anne Paulicevich
Regie: Frédéric Fonteyne
Kinostart: 13.06.13
[ Susanne Schulz ]