Originaltitel: TEL AVIV/BEIRUT
Zypern/F/D 2022, 116 min
FSK 12
Verleih: Twenty Twenty Vision
Genre: Drama
Darsteller: Zalfa Seurat, Sarah Adler, Shlomi Elkabetz
Regie: Michale Boganim
Kinostart: 14.09.23
Ein Mädchen fiel ins Felsgestein. Beim Überqueren der Grenze soll es hinabgestürzt sein und bis heute ihr Klagelied im Dunkeln singen. Das Leid menschlicher Grenzziehungen ist längst in das Sagenhafte eingesickert. Man erzählt sich diese Spukgeschichte in TEL AVIV – BEIRUT beiläufig beim Baden. Sonnenschein läßt die Wasseroberfläche funkeln. Im Schönen gedenkt man dem Schmerz. Es gebiert Geschichten über Trauer, die nicht enden will. Gespenster überdauern die Zeit, weil sie den Schrecken von Krieg und zerteilten Räumen im kulturellen Bewußtsein einer traumatisierten Normalität manifestieren.
Von den 80ern an erzählt Michale Boganim von einer solchen Normalität. In den Konflikten zwischen Israel und dem Libanon kämpfen zwei Familien auf verschiedenen Seiten der Grenze um Überleben und Zusammenhalt. Während sich ihre Schicksale kreuzen, sucht dieser Film nach Wegen zu einer überwundenen Gewalt, einem Miteinander und Einreißen von Schranken. Es sind leise Töne gegen laute Schüsse und verhärtete Fronten. Ästhetisch hat dennoch der Krieg gewonnen. Seine Mechanismen bleiben abstrakt, sein Grauen heruntergebrochen. Aufnahmen reproduzieren nur noch skizzenhaft, ohne zu tieferen Essenzen durchzudringen. Menschen sprechen Sehnsuchtsvolles in schummernden Vignetten und reichen sich die Hände durch Zäune.
Boganims Film schwächelt mit solchen berechenbaren Kniffen und Bildern, dem allgegenwärtigen Terror formal noch gerecht zu werden. Also bleiben ihm zaghafte, recht zähe Versuche gegen die emotionale Abstumpfung. Ein Durchhaltetest, um nicht zu verzagen oder selbst für immer klagend verlorenzugehen.
[ Janick Nolting ]