Originaltitel: TÉNOR

F 2022, 101 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Tragikomödie, Musik

Darsteller: Michèle Laroque, MB14, Guillaume Duhesme

Regie: Claude Zidi Jr.

Kinostart: 03.11.22

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Tenor

Kino in den höchsten Tönen

Stammelt sich Mannsvolk durch albernen Text, nennt man das Rap. Singen sieche, ausgetickte oder obsessiv opferbereite Damen: Oper. Wenig verwunderlich bleiben etwaige Schnittmengen extrem überschaubar; Antoine zeigt trotzdem, daß es anders gehen kann.

Der Sushi-Lieferant, zukünftige Buchhalter (im Abendkurs locken demnächst die Aufwandskonten 68!) und Rapper lernt Gesangslehrerin Marie kennen, und nachdem sie überzeugend versichert keine Cougar ist, darf die allerhand ungenutztes Potential Witternde ihm „Madama Butterfly“ vorstellen. Natürlich eine Initialzündung. Aber wie soll unser nominell harter Hund den Banlieue-Kumpanen die neue Leidenschaft verkaufen? Richtig, gar nicht. Ergo offiziell Klappe halten und heimlich schmettern.

Wir sind mit Pauschalisierungen in den Text gegangen, warum also plötzlich aufhören: Die Franzosen schaffen’s doch immer wieder, aus total überraschungsfreien Sujets maximale Tiefenwirkung zu kitzeln! Finde Deine Stimme, folge Deinem Traum, sei endlich Du … Man winde sich voller Grauen beim Gedanken daran, so was inszenierte, sagen wir, Hollywood. Vermutlich ernsthaft verklemmt, ohne jeden Witz, beispielsweise eine Frau Mama, die unter ihren dickhosigen Jungs nackte Angst verbreitet und aus dem Knast heraus mittels (un-)geschickten Einsatzes wechselnder Poster im Glauben einer Japanreise gehalten werden muß. Angesichts jener wild gelockten Lederbraut absolut verständlich! Zweifelhaft ebenfalls, ob Michèle Laroques Marie adäquaten Ersatz bekäme – wenn Mme. Laroque höflich lächelt, mag das genauso gut unverhohlenes Zähnefletschen sein. Und ginge sie nicht wahrscheinlich im hektischen Schnittgewitter unter, die herrlich entspannte Kamera-Arbeit, minutenlange Plansequenz inklusive?

Nebenplots verhandeln, wie sehr manchmal der Status „alte Freundin“ schmerzt oder lebensluftabschnürend eigentlich zugewandte Korsetts aus Liebe, Schutz, familiärem Zusammenhalt beengen. Dazu doppelte Selbstbestimmung, darin ein Satz schier zerreißender Schönheit, todtrauriger Stärke: „Den Sternen bin ich näher als Sie.“ Und einmal steht Marie am Fenster, Wein in der Hand, elegischer Blick. Vor ihr das nächtliche Paris, ein atemberaubender Sehnsuchtsort. Auch dafür nimmt sich – glücklicherweise – die Tellerränder überschreitende Wanderung zwischen zwei konträren Welten Zeit.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...